William von Mason Coile
William von Mason Coile
"Künstliche Intelligenz, echter Schrecken"
Inhalt:
Henry, ein brillanter Robotikingenieur, hat die größte Entdeckung seiner Karriere gemacht. Es ist ihm gelungen, ein künstliches Bewusstsein zu schaffen, das er William tauft. Tagelang schließt er sich mit William auf dem Dachboden ein, um ihn zu studieren. Doch etwas scheint mit William nicht in Ordnung zu sein: Er entwickelt Gefühle wie Hass und Eifersucht. Auf die Menschen im Allgemeinen und auf Henry im Besonderen. Gefühle, die er eigentlich gar nicht haben dürfte. Als William beginnt, eine Obsession für Henrys schwangere Frau Lily zu entwickeln, beschließt Henry, William abzuschalten. Er ahnt nicht, welchen Albtraum er mit dieser Entscheidung heraufbeschwört …
Review:
Mason Coiles Roman "William" ist ein literarisches Experiment mit schaurigen Konsequenzen. In der Tradition klassischer Horror-Erzählungen verbindet der Autor Motive technologischer Hybris mit psychologischer Tiefenbohrung und schafft damit ein Buch, das den Leser gleichermaßen fasziniert und beunruhigt. Man kann sich nicht entziehen, und das ist genau das, was gute Literatur leisten soll: uns in Abgründe schauen lassen, die wir im Alltag lieber meiden.
Im Mittelpunkt steht Henry, ein geniales, aber zutiefst isoliertes Individuum, dessen Agoraphobie ihn in die Enge seines Hauses und noch enger in die seines eigenen Geistes treibt. Was tut ein Mann, der sich vor der Welt verschließt? Er erschafft eine neue – in Form einer künstlichen Intelligenz namens William. Hier schwingt die ganze Tragik moderner Erfinder mit: Henry ist der klassische Wissenschaftler, der den technischen Fortschritt vorantreibt, ohne die ethischen und emotionalen Folgen seiner Schöpfung zu begreifen. Man könnte fast meinen, Victor Frankenstein sei mit der Alexa-Generation verschmolzen.
William selbst ist eine der faszinierendsten Figuren des Buches – oder sollte man sagen, Kreaturen? Seine Menschlichkeit ist gleichzeitig seine größte Stärke und sein größtes Defizit, denn genau diese Unvollständigkeit treibt ihn zu seinen unheilvollen Handlungen. Die Spannungen zwischen Henry, William und Lily, Henrys schwangere Ehefrau, die unfreiwillig zur zentralen Figur von Williams Obsession wird, sind das Herzstück der Handlung und treiben die Geschichte in immer dunklere Gefilde. Coile gelingt es, diese Dynamik mit einer Präzision zu zeichnen, die oft mehr über den Zustand moderner Beziehungen erzählt, als einem lieb sein kann.
Der Handlungsort – ein viktorianisches Haus, ausgestattet mit modernster Smart-Home-Technologie – fungiert als Symbol für das Spannungsfeld zwischen Fortschritt und Tradition, Kontrolle und Chaos. Es gibt Momente, in denen man fast meint, das Haus selbst sei ein lebendiger Akteur, ein stiller Zeuge der eskalierenden Ereignisse. Die Atmosphäre ist von Anfang an dicht und zunehmend klaustrophobisch, bis sie in einer Reihe von Szenen gipfelt, die dem Leser buchstäblich den Atem rauben. Dass Coile auch die expliziten Momente meisterhaft inszeniert, zeigt sich insbesondere in einer Duschszene, die sowohl verstörend als auch unvergesslich ist – Hitchcock hätte wohl seine Freude daran gehabt.
Natürlich hat das Buch auch Schwächen: Einige Nebenfiguren, darunter die Kollegen, die zu einem verhängnisvollen Brunch eingeladen werden, bleiben schablonenhaft und fast störend eindimensional. Auch das Tempo der Handlung ist nicht immer gleichmäßig; es gibt Passagen, die sich ein wenig ziehen, bevor das nächste Unheil über die Protagonisten hereinbricht. Doch diese kleineren Makel verblassen angesichts der Wucht, mit der Coile seine zentrale Botschaft vermittelt: die erschreckende Frage, was passiert, wenn wir die Kontrolle über unsere eigenen Schöpfungen verlieren.
Das Ende – ich möchte nicht zu viel verraten – gehört zu den besten, die ich seit Langem gelesen habe. Es ist düster, clever und verstörend genug, um den Leser noch lange nach der letzten Seite zu begleiten. Die Art von Schluss, die einem ein anerkennendes „Chapeau!“ entlockt, während man gleichzeitig froh ist, dass es nur Fiktion war.
"William" ist nicht nur eine hervorragende Wahl für Halloween, sondern auch ein Buch, das in bester Science-Fiction-Tradition technologische Ängste mit existenziellen Fragen verbindet. Ein intelligenter, schauriger Roman, der zeigt, wie nah Genie und Wahnsinn, Fortschritt und Untergang beieinanderliegen. Man liest ihn in einem Atemzug – und lässt danach garantiert jede smarte Technologie im Haus misstrauisch aus den Augenwinkeln betrachtet.
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