Gefahr im Verzug von Tom Clancy, Marc Cameron
Gefahr im Verzug von Tom Clancy, Marc Cameron
"Adrenalin und Tiefgang: Marc Cameron brilliert mit technologischem Feingefühl"
Inhalt:
Es geht um Leben und Tod, als Jack Ryan einen Hilferuf seines alten Freundes Pat West erhält: Dieser wird in Indonesien der Ketzerei verdächtigt und inhaftiert. Sofort beginnt er mit den Vorbereitungen für eine Rettungsmission. Doch sie können nicht auf offiziellem Weg gegen die indonesische Regierung vorgehen. Alle Hoffnung ruht auf dem Campus, der vor Ort nach einer Lösung sucht. Bleibt nur noch das Problem, vor dem Pat West in seiner Nachricht eigentlich gewarnt hat: Um seine eigene Festnahme macht er sich weniger Sorgen als um eine geheimnisvolle KI namens »Calliope«. Diese scheint über Indonesien in chinesische Hände gefallen zu sein. Die Macht des Programms stellt alles in den Schatten, was sich Jack Ryan und der Campus je hätten vorstellen können.
Review:
Tom Clancy ist tot, aber sein literarisches Erbe lebt weiter – und wie! Mit "Gefahr im Verzug" beweist Marc Cameron, dass er nicht nur das handwerkliche Geschick, sondern auch das nötige Fingerspitzengefühl besitzt, um den Kosmos des Jack Ryan in alter Frische erstrahlen zu lassen. Cameron bleibt dem Geist des Originals treu, wagt jedoch zugleich mutige Schritte, um die Serie mit aktuellen Themen und einem modernisierten Blickwinkel zu bereichern. Das Ergebnis? Ein Politthriller, der die Nerven strapaziert und gleichzeitig zum Nachdenken anregt.
Die Handlung ist typisch Clancy – aber auf Steroiden. Alles beginnt mit einer Künstlichen Intelligenz, die eigentlich aus der Welt der Videospiele stammt, aber bald von internationalen Akteuren für weit größere, weitaus bedrohlichere Pläne missbraucht wird. Diese technologischen Machenschaften bringen nicht nur die amerikanische Regierung ins Wanken, sondern sorgen auch dafür, dass Präsident Jack Ryan persönlich eingreifen muss. Und hier zeigt Cameron eine besondere Stärke: Er verbindet die großen politischen und technologischen Fragen unserer Zeit mit einer zutiefst menschlichen Ebene. Jack Ryan ist nicht nur Staatsoberhaupt, sondern auch Freund, Ehemann und Vater. Diese Balance zwischen epischen Konflikten und persönlicher Verbundenheit macht den Roman so fesselnd.
Die Figuren sind alles andere als Schablonen. Cameron versteht es, die bekannten Charaktere des Ryanversums lebendig und vielschichtig zu zeichnen. Jack Ryan Sr. brilliert als Anker der Geschichte, während Cathy Ryan – die sonst oft im Hintergrund bleibt – hier eine überraschend aktive Rolle übernimmt. Auch John Clark und das Campus-Team bekommen reichlich Gelegenheit, ihr taktisches Genie und ihre Loyalität zu beweisen. Besonders interessant ist die Darstellung der Gegenspieler: Chinesische Militärs, politische Intriganten und Cyberkriminelle sind nicht nur Klischees, sondern facettenreiche Akteure mit eigenen Motiven und Schwächen. Diese moralische Ambivalenz verleiht der Geschichte eine besondere Tiefe.
Was den technischen Aspekt betrifft, spielt Cameron in der Champions League. Seine Darstellungen von Cyberkriegsführung, Künstlicher Intelligenz und militärischen Operationen sind nicht nur authentisch, sondern auch verstörend aktuell. Dabei gelingt es ihm, die Balance zwischen fachlicher Genauigkeit und narrativer Zugänglichkeit zu wahren. Selbst Leser ohne IT-Hintergrund werden keine Schwierigkeiten haben, den Entwicklungen zu folgen – und dabei trotzdem einiges lernen. Doch Cameron bleibt nicht bei der Technik stehen. Die ethischen Fragen, die er aufwirft, sind universell: Wie weit darf man gehen, um seine Ziele zu erreichen? Und welchen Preis ist man bereit zu zahlen, wenn Technologie zur Waffe wird?
Doch so ernst die Themen auch sein mögen, der Spaß kommt nicht zu kurz. "Gefahr im Verzug" ist ein Pageturner im besten Sinne. Die Spannung steigt kontinuierlich, die Dialoge sind messerscharf, und die Action-Szenen lassen das Adrenalin nur so sprudeln. Cameron schafft es, selbst nach über 500 Seiten das Tempo hochzuhalten, ohne dass die Geschichte an Tiefe oder Glaubwürdigkeit verliert. Das ist keine leichte Aufgabe, aber Cameron meistert sie mit Bravour.
Wenn man überhaupt etwas kritisieren kann, dann vielleicht, dass der Roman gelegentlich etwas zu technisch wird und weniger versierte Leser dadurch kurzzeitig auf der Strecke bleiben könnten. Doch das ist ein kleiner Preis für eine so meisterhaft erzählte Geschichte. Marc Cameron hat mit "Gefahr im Verzug" bewiesen, dass er nicht nur ein würdiger Nachfolger Clancys ist, sondern auch ein eigenständiger Autor, der es versteht, die Leser in seinen Bann zu ziehen. Dieses Buch ist ein Muss für jeden, der intelligente, temporeiche Thriller liebt – und es bestätigt, dass das Jack-Ryan-Universum noch lange nicht auserzählt ist. Bravo, Marc Cameron!
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