Der Blick von den Sternen von Cixin Liu

Der Blick von den Sternen von Cixin Liu



Seiten: 336
Verlag: Heyne
Sprache: Deutsch
ISBN-10:345327508X
Amazon: Amazon.de








"Cixin Liu denkt groß, aber fühlt wenig"

Rating: 2/10


Inhalt:

Mit seinem Weltbestseller »Die drei Sonnen« hat sich Cixin Liu in die Weltgeschichte der spekulativen Literatur eingeschrieben. Zusammen mit »Der dunkle Wald« und »Jenseits der Zeit« hat Lius Trisolaris-Trilogie den Horizont der Science-Fiction verschoben. In der vorliegenden Sammlung von Erzählungen, Essays und Interviews gibt Cixin Liu erstmals Einblick in die Entstehungsgeschichte seines literarischen Denkens. Was hat Liu zur Science-Fiction gebracht? Kann ein Schmetterling einen Krieg verhindern? Welche Spezies ist der wahre Herrscher des Erdballs? Was sehen wir, wenn wir von den Sternen her zur Erde zurückblicken? 19 Texte, in denen Cixin Liu die Weiten des kosmischen Erzählens durchmisst …

Review:

Cixin Liu, der große Denker des chinesischen Science-Fiction-Zeitalters, hat mit Der Blick von den Sternen eine Sammlung vorgelegt, die mindestens so viel über ihn selbst erzählt wie über die fiktiven Welten, die sie entwirft. Und das meine ich keineswegs als Kompliment. Wer sich hier eine kohärente, literarisch befriedigende Sammlung von Erzählungen erhofft, wird schnell feststellen: Dieses Buch ist eher ein intellektuelles Schaufenster als eine erzählerische Schatzkammer. Es flimmert, es blinkt, aber es wärmt nicht.

Man sollte Cixin Liu zugutehalten, dass er als Erzähler eine radikale Konsequenz verfolgt: Die menschliche Psyche, der Mikrokosmos des Alltäglichen, interessiert ihn nicht. Sein Blick richtet sich auf das Große, das Allumfassende, das Kosmische – das ist ihm wichtiger als irgendein mühsam konstruierter Handlungsbogen oder emotional glaubwürdig gezeichnete Figuren. Seine Geschichten wirken oft wie Gedankenkonstruktionen, die ihre Faszination aus der Kälte ihrer Prämisse beziehen. Wer also Literatur als Schule der Empathie versteht, als Bühne der inneren Entwicklung, ist hier ungefähr so gut aufgehoben wie ein Fisch in der Wüste.

Dass Liu in dieser Sammlung Fiktion mit Essayistik vermischt, ist eine Entscheidung, die man kühn nennen könnte – oder schlichtweg unglücklich. Denn das eine schwächt das andere: Die fiktionalen Texte verlieren an Dringlichkeit, weil sie ständig durchbrochen werden, die Essays wiederum wirken wie pädagogische Exkurse, deren Oberlehrerhaftigkeit sich nur schwer leugnen lässt. Besonders störend ist dabei Lius Hang zur apodiktischen Belehrung: Wenn er sich zur Science-Fiction äußert, dann nicht als Diskutant, sondern als letzter Richter. Fantasy? Ist für ihn offenbar eine Spielart infantiler Eskapismus, bestenfalls als pädagogisches Mittel für Heranwachsende zu gebrauchen. Diese Geringschätzung anderer Genres offenbart ein Weltbild, das zwar an Naturwissenschaft glaubt, aber mit ästhetischer Vielfalt auf Kriegsfuß steht.

Überhaupt gibt Liu hier nicht nur den Autor, sondern gleich auch den Theoretiker seines eigenen Werkes – und das mit einer Selbstgewissheit, die gelegentlich ins Prätentiöse kippt. Natürlich darf ein Autor eigene Überzeugungen vertreten, aber wenn er sich dabei selbst zur letzten Instanz erklärt und gleichzeitig so tut, als seien diese Wahrheiten universell, verliert er nicht nur Leser, sondern auch literarische Glaubwürdigkeit. Dass Liu dabei selten um eine politische Haltung herumkommt, ist unausweichlich – doch statt Ambivalenz findet man meist diplomatische Leerformeln. Vielleicht ist das Selbstzensur, vielleicht Überlebensstrategie. Literarisch hilft es dem Buch jedenfalls nicht.

Selbst die gelungensten Erzählungen – etwa jene, in der Wissenschaftler ihr Leben opfern, um die tiefsten Fragen des Universums beantwortet zu bekommen – bleiben seltsam theoretisch, wie Versuchsanordnungen im Kopf. Was hier fehlt, ist nicht Intelligenz, sondern Wärme. Liu mag der Sirius am Science-Fiction-Firmament sein, wie es ein Rezensent pathetisch formulierte, doch seine Strahlen sind eisig.

Man kann diesem Buch also durchaus etwas abgewinnen, wenn man gewillt ist, über seine strukturellen Schwächen und seine intellektuelle Eitelkeit hinwegzusehen. Wer aber glaubt, hier einen packenden Einstieg in das Werk Cixin Lius zu finden, wird enttäuscht sein. Der Blick von den Sternen ist eine Sammlung für Eingeweihte, für Leser, die bereit sind, sich von Erzählkunst zugunsten von Ideenskizzen zu verabschieden. Und selbst diese werden am Ende zugeben müssen: Mancher Stern, den Liu uns zeigt, ist schöner von Weitem.

Der Blick von den Sternen von Cixin Liu Der Blick von den Sternen von Cixin Liu Reviewed by Darkybald on Mittwoch, Mai 14, 2025 Rating: 5

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