The Best Minds von Jonathan Rosen
The Best Minds von Jonathan Rosen
Ein literarischer Irrgarten mit tragischem Zentrum
Inhalt:
Der oft zitierte schmale Grat zwischen Genie und Wahnsinn steht im Mittelpunkt dieser ergreifenden wahren Geschichte. Jonathan Rosen erzählt davon, wie die Diagnose Schizophrenie seinen besten Freund aus Kindertagen, den Shooting-Star der Ivy-League-Universität Yale Michael Laudor, vom Gipfel des akademischen Ruhms und eines großen Film- und Buchvertrags in eine psychiatrische Klinik und schließlich sogar zu einem grausamen Verbrechen führte. Es ist eine »amerikanische Tragödie«, jedoch mit universeller Relevanz. Rosen verbindet eine zärtliche und berührende Geschichte über Freundschaft mit einer knallharten Anklage darüber, wie sträflich wir die psychisch Kranken in unserer Gesellschaft vernachlässigen – und damit sie und auch uns selbst in Gefahr bringen.
Review:
Es gibt Bücher, die erzählen eine Geschichte – und es gibt Bücher, die scheitern an dem Versuch, ihrer Geschichte Herr zu werden. Jonathan Rosens The Best Minds gehört zur zweiten Sorte. Was hier vorliegt, ist der hochambitionierte, oft atemberaubend recherchierte und zugleich zutiefst irritierende Versuch, das Leben eines Mannes zu erzählen, dessen Genie und Wahnsinn einander auf tragische Weise bedingten. Der Mann heißt Michael Laudor, war einst eine Hoffnungsgestalt für Millionen, ein gefeierter Jurastudent mit diagnostizierter paranoider Schizophrenie, ein Medienliebling, dem Hollywood zu Füßen lag – und der schließlich seine schwangere Lebensgefährtin brutal ermordete.
Rosen, Laudors Jugendfreund aus den bürgerlichen Vorstadtsiedlungen New Yorks, nimmt diesen Stoff zum Anlass, ein über 800 Seiten langes Panorama aufzuziehen, das zwischen Memoir, Reportage, Kulturkritik und psychiatriegeschichtlichem Traktat pendelt – ohne sich je zu entscheiden, was es eigentlich sein will. Der Ton changiert zwischen aufrichtiger Betroffenheit und intellektuellem Exhibitionismus, zwischen sezierender Genauigkeit und abschweifender Selbstbespiegelung. Ja, Rosen schreibt gut – sehr gut sogar. Seine Sätze sind geschliffen, durchwirkt von belesener Ironie und menschlicher Wärme. Aber stilistische Eleganz ist eben kein Ersatz für erzählerische Disziplin.
Denn was in den ersten hundert Seiten noch als klug beobachtetes Porträt zweier begabter jüdischer Jungs in den 1970er Jahren beginnt, verliert sich bald in einem Labyrinth aus Seitenpfaden, Fußnoten und kulturhistorischen Ausflügen. Über weite Strecken wirkt das Buch, als habe jemand die vollständigen Akten eines Forschungsvorhabens zwischen zwei Buchdeckel gepresst – mitsamt aller Exkurse, Abschweifungen und thematischen Sackgassen. Man liest von medizinischen Richtungsstreits, juristischen Präzedenzfällen, philosophischen Grundsatzfragen – und verliert dabei mehr als einmal den eigentlichen Kern der Erzählung aus den Augen: die tragische Geschichte eines Mannes, der mehr als einmal hätte gerettet werden können, wäre unsere Gesellschaft nicht so eifrig darum bemüht gewesen, ihre eigenen Ideale gegen jede Evidenz zu verteidigen.
Besonders problematisch wird es dort, wo Rosen vorgibt, sich Laudor als Freund zu nähern, in Wahrheit aber eher wie ein distanzierter Biograph agiert, der sein Material mit professioneller Akribie, aber emotionaler Vorsicht behandelt. Die vielbeschworene Freundschaft entpuppt sich bei näherer Betrachtung als kurze Phase gemeinsamer Jugend – was bleibt, ist eine Art intellektuelles Schattenboxen: Rosen vergleicht, analysiert, erinnert sich – aber die Nähe, die sein moralischer Anspruch impliziert, bleibt Behauptung. Umso unangenehmer berührt es, wenn ausgerechnet Caroline Costello, die ermordete Lebensgefährtin Laudors, fast zur Randfigur degradiert wird. Dass Rosen sie kaum kannte, mag eine Erklärung sein – aber keine Entschuldigung. In einem Buch, das sonst keine Mühe scheut, Nebenschauplätze auszuleuchten, wirkt ihre stille Behandlung wie ein blinder Fleck – oder schlimmer: wie eine bewusste Leerstelle.
Und doch, bei aller Kritik: Man kann Rosen nicht vorwerfen, er hätte sich nicht bemüht. Die Tiefe seiner Recherche, seine Gespräche mit Fachleuten, seine historische Fundierung – all das ist beeindruckend. Nur leider erdrückt es den Leser irgendwann. The Best Minds ist ein Buch, das mehr wissen will, als es erzählen kann, und mehr erzählen will, als es erträgt. Es ist ein Buch über das Scheitern – und scheitert dabei selbst auf hohem Niveau. Was bleibt, ist ein schillerndes, überbordendes, moralisch komplexes Werk – das dringend einen rigorosen Lektor gebraucht hätte. Aber vielleicht ist auch das Teil der Tragödie: dass nicht nur Michael Laudor Opfer einer überforderten Umwelt wurde, sondern auch dieses Buch Opfer eines Autors, der zu viel wollte und zu wenig loslassen konnte.












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