Die letzte Geschichte der Welt von Robin Sloan
Die letzte Geschichte der Welt von Robin Sloan
Die letzte Geschichte der Welt – und vielleicht nicht die beste
Inhalt:
Die ferne Zukunft. Das Leben auf unserem Planeten hat sich auf dramatische Weise verändert – und doch ist vieles immer noch so, wie wir es kennen. Der junge Ariel de la Sauvage lebt in einem kleinen Dorf, das von einem Zauberer regiert und von Rittern beschützt wird. Er liebt es, sich glorreiche Abenteuer auszumalen, während er die Wälder um seine Heimat erkundet. Eines Tages findet er einen Metallsarg in einer Höhle. Als er ihn öffnet, befreit er damit eine KI, die die gesamte Geschichte der Menschheit aufgezeichnet hat – und setzt damit eine Reihe von Ereignissen in Gang, die das Schicksal der Menschheit für immer verändern wird.
Review:
Robin Sloan ist ein Autor, der offenbar fest davon überzeugt ist, dass Literatur ein Spielplatz sei – und Die letzte Geschichte der Welt sein bisher wildester Versuch, dort eine Art interdisziplinäre Schnitzeljagd zu veranstalten. Das Ergebnis ist ein Text, der mit postapokalyptischen Drachen, sprechenden Bibern und einem allwissenden Erzählerpilz aufwartet – und dennoch die kühnste Idee dieses Romans ist vielleicht nicht einmal das, sondern die Prämisse, dass ein solches Buch funktionieren könnte.
Die Handlung – so es denn eine gibt, die diesen Namen verdient – beginnt elf Jahrtausende in der Zukunft. Die Menschheit ist untergegangen, ihre Nachkommen sind Tiere mit Sprachvermögen und erstaunlich humanistischer Agenda. Die Erinnerung an die versunkene Zivilisation wird von einer künstlichen Intelligenz namens Chronist konserviert, einem archivarischen Symbionten, der sich in einen zwölfjährigen Jungen einnistet und fortan dessen Abenteuer erzählt. Dieser Junge, Ariel, befindet sich – wie es sich für Helden in solchen Konstruktionen gehört – auf einer epischen Reise, die vordergründig dem Kampf gegen einen finsteren Zauberer dient, aber in Wahrheit viel mehr mit der Suche nach Identität, Bedeutung und mythologischer Selbstvergewisserung zu tun hat.
Das alles klingt herrlich schräg – und ist es auch. Man hat gelegentlich das Gefühl, als habe sich Douglas Adams mit Italo Calvino in einem Serverraum eingeschlossen, um gemeinsam Tolkien zu parodieren. Sloans Welt ist randvoll mit verspielten Details, popkulturellen Referenzen, halbgaren wissenschaftlichen Theorien und Figuren, die direkt aus einem Fiebertraum von Hayao Miyazaki stammen könnten. Man kann sich dieser bizarren Mischung kaum entziehen, zumal sie mit erzählerischer Eleganz und aufrichtiger Freude am Fabulieren serviert wird.
Doch was dem Roman an Fantasie nicht mangelt, fehlt ihm mitunter an Stringenz. Die Geschichte mäandert, verweilt zu lang in ihrer eigenen Wunderwelt, und wenn dann doch einmal Spannung aufkommt, wird sie nicht selten von Zufällen oder überhasteten Wendungen wieder zunichte gemacht. Die Figuren – Ariel eingeschlossen – bleiben seltsam schemenhaft, oft mehr Typus als Mensch. Und die Fragen, die der Roman aufwirft – etwa nach der Verantwortung von Technologie oder dem ethischen Fundament posthumaner Zivilisationen – werden eher gestreift als wirklich durchdrungen.
Natürlich könnte man sagen: Das gehört zum Konzept. Dass hier keine Antworten gegeben werden, ist Teil der Erzählhaltung eines AI-Chronisten, der selbst nicht alles versteht und dennoch versucht, Sinn zu stiften. Aber auch das ist eine elegante Ausrede für ein Problem, das nicht hätte sein müssen. Sloan ist ein intelligenter Autor, er kennt die Mechanik des Erzählens, und man merkt dem Buch an, dass es mehr sein will als ein bloßes Abenteuer – es will Bedeutung. Doch Bedeutung verlangt Struktur, Tiefe, Widerstand. Nicht nur Flair.
Trotzdem – und das sage ich mit vollem Bewusstsein für die vorangegangene Kritik – habe ich mich unterhalten gefühlt. Vielleicht, weil dieses Buch in seiner Exzentrik etwas wohltuend Unzeitgemäßes hat. Weil es sich verweigert, in die Formate gängiger Genreunterhaltung zu passen. Weil es etwas wagt. Sloan schreibt, als wolle er das Staunen zurückholen in eine Literatur, die sich allzu oft in Selbstreflexion verliert. Das ist ehrenhaft. Und gelegentlich sogar großartig.
Kurzum: Die letzte Geschichte der Welt ist ein überbordendes, nicht immer kohärentes, aber zutiefst originelles Werk. Kein Roman für Freunde stringenter Plots oder harter Wissenschaft, wohl aber für jene, die bereit sind, sich überraschen zu lassen – und die verstehen, dass auch eine missglückte Utopie einen gewissen Charme entfalten kann, wenn sie klug, verspielt und mit sprachlicher Finesse dargeboten wird. Ich jedenfalls werde Sloan weiter lesen – in der Hoffnung, dass er das große Buch, das er andeutet, eines Tages wirklich schreibt.












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