Der verliebte Schwarzbrenner und wie er die Welt sah von Jonas Jonasson

Der verliebte Schwarzbrenner und wie er die Welt sah von Jonas Jonasson

Titel des Buches
Seiten: 432
Verlag: C.Bertelsmann
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3570104850
Kaufen: Amazon.de
Ein Hoch auf den Hochprozentigen – und den gesunden Menschenverstand
Bewertung: 7/10 ⭐

Inhalt:

Småland 1852: Algot Olsson, Sohn eines Schweinezüchters, bleibt nach dem Tod seines Vaters nur ein Kartoffelacker und ein Destillierapparat für den Hausgebrauch. Doch Algot hat Grips, Geschäftssinn und eine Idee: Für die Gleisarbeiter, die gerade die ersten Eisenbahnschienen verlegen und wie alle Schweden nur grauenvollen Fusel gewohnt sind, brennt Algot richtig guten Schnaps und ist damit so erfolgreich, dass der missgünstige Graf Bielkegren ihn mit allen Mitteln sabotiert.

Zum Glück hat Algot gute Freunde an seiner Seite: den aus Bayern geflohenen Druckermeister Helmut, der es mit der Wahrheit manchmal nicht ganz so genau nimmt, und dessen ebenso hübsche wie resolute Tochter Anna Stina. Gemeinsam trotzen sie den Intrigen des Grafen, und so wird aus Algots Schwarzbrand kurzerhand ›Apotheker Otterdahls Tropfen gegen trübe Gedanken‹ – ein weiterer Verkaufsschlager und, wie sich zeigt, wahres Wundermittel, das nicht nur des Königs Zahnschmerzen heilt, sondern sogar Kriege vereitelt. Doch hilft es auch bei hoffnungsloser Verliebtheit?

Review:

Jonas Jonasson ist ein Phänomen, das man entweder liebt oder eben irgendwann überdrüssig wird. Nach dem immensen Erfolg seines Debüts Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand hatten viele Leserinnen und Leser den Eindruck, Jonasson habe seinen literarischen Baukasten einmal zusammengeschraubt – und dann in immer neuen Kombinationen variiert. Wer so denkt, sollte Der verliebte Schwarzbrenner und wie er die Welt sah trotzdem eine Chance geben. Denn dieser Roman beweist: Jonasson hat sein eigenes Rezept nicht nur wiederholt, sondern verfeinert – ähnlich wie sein Protagonist Algot Olsson, der aus dem Erbe seines Vaters, einem Schnapsrezept, eine Revolution destilliert.

Wir befinden uns in Småland, im Jahr 1852, einer Region, die zu dieser Zeit vor allem durch drei Dinge geprägt war: Armut, Alkohol und Adel. In genau dieser Reihenfolge. Algot, ein Bauernsohn mit Sinn für das Praktische und einer Nase für hochprozentige Geschäftsideen, wird von seinem adeligen Grundherren aus dem gepachteten Häuschen geworfen – nur um wenig später in einer neuen Bleibe heimlich mit der Schnapsproduktion zu beginnen. Was folgt, ist keine Geschichte des wirtschaftlichen Aufstiegs, sondern ein aberwitziges Sittengemälde über Klassenverhältnisse, Machtmissbrauch und die sprichwörtliche schwedische Gelassenheit im Angesicht der Absurdität des Lebens.

Jonasson erzählt das mit einer Trockenheit, die an norddeutsches Küstenwetter erinnert. Sein Humor ist nicht schreiend komisch, sondern scharf wie ein guter Aquavit. Natürlich begegnen wir wieder einer Reihe exzentrischer Gestalten: Ein adliger Schwadroneur, dessen geistige Fähigkeiten eher ins Spülwasser gehören als in die Politik; eine emanzipierte Druckerstochter, die nicht nur mit Worten kämpft, sondern auch mit dem Bratpfannen-Äquivalent zur Guillotine; und ein perpetuell betrunkener Engländer, der mehr Weisheit im Suff offenbart als die meisten in nüchternem Zustand. Diese Figuren sind keine Karikaturen, sondern kunstvoll überzeichnete Typen, die der Autor mit liebevoller Ironie entlarvt – und gerade dadurch glaubwürdig macht.

Was man diesem Buch nicht vorwerfen kann, ist Mangel an Themen. Hier geht es um nichts Geringeres als soziale Ungleichheit, den trügerischen Glanz des Adels, die Kraft der Gemeinschaft, die Moral der Besitzenden und die Frage, ob eine gute Geschichte nicht manchmal überzeugender ist als ein Gesetzbuch. Und das alles in einem Tonfall, der durchweg von lakonischer Eleganz getragen wird. Jonasson gelingt es, historische Wahrheit und satirische Freiheit zu verbinden, ohne dass das eine dem anderen den Rang abläuft. Wer hier einen historischen Roman im Sinne von Detailverliebtheit und Fußnoten erwartet, ist falsch beraten. Wer allerdings bereit ist, das Historische als Folie für eine zeitlos menschliche Komödie zu begreifen, wird reich belohnt.

Natürlich ist nicht alles perfekt. Der Einstieg ist zäh wie ein nasser Småland-Winter, und auch wenn der Plot gegen Ende gekonnt aufgelöst wird, fehlt ihm doch der eine, zündende Überraschungsmoment, der ein gutes Buch in ein großartiges verwandelt. Aber Jonasson ist klug genug, um nicht auf den billigen Effekt zu setzen. Er vertraut auf seine Figuren, auf die Dialoge, auf die Konstellationen – und vor allem auf die Wirkung eines gut platzierten Satzes, der mehr entlarvt als ein ganzes Kapitel.

Der verliebte Schwarzbrenner und wie er die Welt sah ist nicht nur ein amüsanter Roman, sondern ein literarisches Destillat, das aus den besten Zutaten besteht: Humor, Menschenkenntnis, historische Sensibilität und einer Portion gesundem Zorn. Wer also glaubt, Literatur müsse entweder ernst oder unterhaltsam sein, der wird hier eines Besseren belehrt. Denn Jonasson zeigt einmal mehr: Die Wahrheit schmeckt manchmal am besten, wenn sie brennt.

Der verliebte Schwarzbrenner und wie er die Welt sah von Jonas Jonasson Der verliebte Schwarzbrenner und wie er die Welt sah von Jonas Jonasson Reviewed by Darkybald on Samstag, Juni 21, 2025 Rating: 5

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