Arsène Lupin. Der Gentleman-Gauner von Maurice Leblanc
Arsène Lupin. Der Gentleman-Gauner von Maurice Leblanc
Arsène Lupin – wenn Hochstapelei zur Literatur wird
Inhalt:
In Frankreich genießt Arsène Lupin seit Langem Kultstatus; bei uns wird der ebenso geniale wie galante Einbrecher zurzeit durch die Netflix-Serie Lupin mit Omar Sy in der Titelrolle einem größeren Publikum bekannt. Nun liegt hier der erste Band des Krimi-Klassikers von Maurice Leblanc als Hardcover-Ausgabe vor. Er versammelt neun Kurzgeschichten, die auch über 120 Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung nichts von ihrem Charme eingebüßt haben. Begleiten Sie den gerissenen Verwandlungskünstler Lupin auf seiner Jagd nach edlem Schmuck und großer Kunst – der Polizei immer mindestens einen Schritt voraus.
Review:
Maurice Leblancs Geschichten um Arsène Lupin gehören zu jener Sorte Literatur, die ihre Leser schon nach wenigen Seiten in ein Komplott verwickeln, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt. Denn wer sich einmal auf diesen Gentleman-Gauner eingelassen hat, wird unweigerlich zum Komplizen: Man ertappt sich dabei, dem Dieb die Daumen zu drücken, ja sich regelrecht an seinem nächsten Coup zu berauschen. Leblanc verkehrt die Regeln der Kriminalliteratur, indem er uns nicht auf die Seite des Gesetzes stellt, sondern auf jene des brillanten Gesetzesbrechers.
Dass diese Geschichten bereits 1907 veröffentlicht wurden, macht ihren Charme nur größer. Statt spröder Moral oder didaktischer Strenge findet man hier Ironie, Leichtigkeit und ein hintergründiges Vergnügen an der Maskerade. Lupin ist Verwandlungskünstler, Hochstapler, Spieler – eine Figur, die man kaum greifen kann, weil sie sich in jeder Geschichte neu erfindet. Mal tritt er als feiner Herr auf, mal als unscheinbarer Reisender, mal als alter Mann. In allen Gestalten bleibt er unverwechselbar: witzig, selbstgefällig, unwiderstehlich.
Die neun Episoden, die diesen Band füllen, sind keine streng konstruierten Rätsel, sondern elegante Kabinettstücke, die ihre Leser weniger mit kriminalistischer Härte als mit geistreichen Volten fesseln. Selbst wenn man die Auflösung ahnt, amüsiert man sich über die Wege, die dorthin führen. Und immer wieder gelingt es Leblanc, seinen Helden auch einmal scheitern zu lassen, was ihn nur umso liebenswerter macht. Ganimard, der pflichtbewusste Polizist, dient dabei als verlässlicher Gegenpol, dessen Hartnäckigkeit den Glanz des Gauners nur noch heller erscheinen lässt.
Natürlich lastet der Schatten Sherlock Holmes über diesen Texten, und Leblanc scheute sich nicht, seine Figur mit dem englischen Meisterdetektiv zusammentreffen zu lassen. Wer eine literarische Prügelei erwartet, liegt falsch. Vielmehr begegnen sich hier zwei Archetypen auf Augenhöhe, ohne Sieger und Besiegten, ein kluges Manöver, das eher Reverenz als Parodie ist. Lupin ist nicht das französische Abziehbild eines britischen Vorbilds, sondern dessen ironische Verkehrung: Wo Holmes Ordnung stiftet, bringt Lupin sie durcheinander, und genau darin liegt seine Faszination.
Man darf Leblanc gewiss nicht die gleiche stilistische Strenge zuschreiben wie Arthur Conan Doyle, seine Erzählperspektiven springen, manches wirkt hastig, manches überdreht. Aber wie viel Charme steckt in diesen Brüchen. Wer sich von klassischen Detektivgeschichten allzu sehr bevormundet fühlt, wird hier den befreienden Tonfall genießen. Lupin ist kein Monument der Vernunft, sondern ein glänzender Störenfried, der das Erzählen selbst in Bewegung hält.
Am Ende bleibt ein Klassiker, der in seiner Mischung aus Leichtigkeit und Raffinesse erstaunlich frisch wirkt. Man liest diese Geschichten nicht, um Schuld und Sühne zu erörtern, sondern um sich verführen zu lassen – und genau darin liegt ihr Zauber. Maurice Leblanc hat mit Arsène Lupin eine Figur geschaffen, die zeigt, dass selbst das Verbrechen zur Kunst werden kann, wenn es mit Eleganz und einem Augenzwinkern geschieht.












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