Origin von Andreas Brandhorst
Origin von Andreas Brandhorst
Ein Anfang mit Anlaufschwierigkeiten: Was Origin verspricht – und nicht hält
Inhalt:
Im 23. Jahrhundert ist die Erde größtenteils unbewohnbar. Reiche Überlebende auf dem Trockenen streiten sich mit den Bewohnern schwimmender Inseln um die letzten Ressourcen. Ein Kolonisten-Raumschiff soll die Menschheit retten. Doch dann entdeckt eine Sonde ein außerirdisches Artefakt im Kuipergürtel. Darin: ein Humanoide im Kryoschlaf – Millionen von Jahren alt! Paläontologin Lea Lehora sucht mithilfe einer Quantenintelligenz nach der Lösung für ein Rätsel, das die Menschheit für immer verändern wird.
Review:
Es gibt Bücher, bei deren Lektüre man sich unwillkürlich fragt, ob die Science-Fiction sich noch für eine intellektuelle Disziplin hält oder längst zur Franchise-Ware geworden ist. Andreas Brandhorsts Origin – Die Entdeckung ist ein Roman, der beides versucht: das Denken und das Verkaufen. Und das macht die Sache, sagen wir: ambivalent.
Wir schreiben das 23. Jahrhundert, und die Erde hat sich – in einem ökologischen Crescendo aus Klimakatastrophe, Bevölkerungsdruck und technologischer Hybris – endgültig in einen Wasserplaneten verwandelt. Der Mensch, dieser ewige Parasit, hat sich notdürftig auf schwimmende Megastrukturen zurückgezogen, während die verbliebenen Landmassen zur Festung der Privilegierten geworden sind. Das klingt wie die Rückseite eines Greenpeace-Folders, funktioniert aber erstaunlich gut als Kulisse. Brandhorst skizziert eine Welt, die so kühl plausibel ist, dass einem das Grausen kommt – was für einen SF-Roman durchaus ein Kompliment darstellt.
Und doch drängt sich von Anfang an ein leiser Verdacht auf: All das haben wir irgendwie schon gelesen. Terraforming auf dem Mars, Kryoschlaf, interstellare Archepläne – Brandhorst ist kein Visionär, er ist ein Arrangeur. Ein Kompilator populärer Ideen, die er mit literarischer Betriebsamkeit zu einem Plot verwebt, der eher durch Quantität als durch Präzision besticht. Das ist nicht per se schlecht, aber es riecht eben mehr nach Writers’ Room als nach Autorengenie. Und wenn dann auch noch ein 20 Millionen Jahre alter Humanoider im Kuipergürtel auftaucht, der uns an unsere eigene Ursprungslosigkeit erinnert, ahnt man: Hier will jemand große Fragen stellen – etwa die, ob der Mensch womöglich gar nicht von der Erde stammt. Eine reizvolle Idee, gewiss, aber leider wird sie in einer stilistischen Trockenübung verhandelt, die kaum emotionale Wucht entfaltet.
Es fehlt an Figuren, an echten Charakteren, an Stimmen, die nicht nur These oder Funktion sind. Brandhorsts Menschen sind mitunter so blass, dass man sich fragt, ob sie bereits digital generiert wurden. Die Erzählung springt zwischen wissenschaftlichen Briefings, politischen Planspielen und technologischen Exkursen, während man als Leser auf den Moment wartet, in dem das Herz dieses Romans zu schlagen beginnt – vergeblich. Selbst der Plot, der sich streckenweise als Thriller tarnt, bleibt erstaunlich unthrilling. Viel Bewegung, wenig Konsequenz. Und das Tempo? Mal zähflüssig wie der Schlamm eines versunkenen Kontinents, mal überhastet wie ein NASA-Start mit Budgetkürzung.
Was man dem Roman jedoch zugutehalten muss: Er ist Teil eines trilogischen Experiments, das drei deutsche Science-Fiction-Autoren – Brandhorst, Joshua Tree und Brandon Q. Morris – gemeinsam angehen. Dass dieses Modell die Eigenheiten des jeweiligen Autors zu bändigen vermag, ist hier deutlich spürbar. Brandhorsts sonst gerne mal esoterisch abschweifende Prosa bleibt diszipliniert, beinahe nüchtern – was den Roman lesbarer, aber nicht zwingend eindrucksvoller macht.
Man kann diesem Buch also weder Genialität noch völliges Scheitern attestieren. Es ist ein Werk, das solide komponiert, technisch versiert und gedanklich ambitioniert daherkommt, aber dabei selten über das hinauswächst, was man erwarten würde, wenn man drei bekannte Namen auf ein gemeinsames Cover klebt. Origin – Die Entdeckung ist wie eine Netflix-Serie mit großem Budget und mittelmäßigem Drehbuch: Man schaut weiter, weil man wissen will, was kommt – nicht, weil man sich erinnert, was war.
Lesenswert? Durchaus. Unvergesslich? Leider nein. Aber man darf gespannt sein, ob die Folgebände die Versprechen einlösen, die dieser Auftakt nur andeutet. Sollte das gelingen, könnte Origin mehr werden als die Summe seiner Einzelteile. Sollte es scheitern, bleibt es immerhin ein anständig gebautes Denkmodell in einem Meer aus Konventionen.












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