Das große Spiel von Richard Powers

Das große Spiel von Richard Powers



Seiten: 512
Verlag: Penguin
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3328603719
Amazon: Amazon.de







Stilistische Überfrachtung: Bombastische Sprache ohne emotionale Substanz

Rating: 2/10


Inhalt:

Eine Insel. Vier Suchende. Verbunden durch das vielleicht letzte große Abenteuer der Menschheit. – Das bewegende Meisterwerk von Pulitzer-Preisträger und Autor des Weltbestsellers »Die Wurzeln des Lebens« Auf Makatea, einst ein vergessener Fleck im endlos blauen Pazifik, soll die Gesellschaft der Zukunft entstehen. Über Umwege und Gezeiten finden auf der Insel vier Menschen zusammen, deren Schicksale nachhaltig mit dem des Planeten verknüpft sind: Evelyne Beaulieu, die in den Tiefen des Ozeans taucht, um das geheimnisvolle Spiel der Riesenmanta zu entziffern. Ina Aroita, die die paradiesischen Strände nach Materialien für ihre Skulpturen abwandert – doch schon lange schwemmt das Meer nur noch Plastikmüll an. Und der verträumte Büchernarr Rafi Young und der visionäre Computernerd Todd Keane, deren Freundschaft an dem kühnen Versuch zu zerbrechen droht, eine neue Welt zu erschaffen, um sich vor dem Untergang der jetzigen zu retten. Virtuos komponiert der große Erzähler Richard Powers die dringenden Fragen unserer Zeit – über die Auswirkungen der Klimakrise und die Hoffnung Künstlicher Intelligenz – zu einem fesselnden und zutiefst bewegenden Epos.

Review:

Richard Powers, ein Autor, dessen Name für tiefgründige literarische Werke steht, hat sich mit "Das große Spiel" ein ambitiöses Ziel gesetzt: Die Ozeane und die digitale Sphäre in einem erzählerischen Netz zu verbinden. Doch wo man eine kraftvolle Symbiose erwarten könnte, bleibt eine zähe und zersplitterte Erzählung, die das Leserlebnis lähmt, anstatt es zu bereichern. In diesem Werk, das sich selbst ein intellektuelles Denkmal setzen will, gelingt wenig. Powers zielt hoch und landet, um es schmerzlich klar zu sagen, flach.

Powers war schon immer ein Meister der komplexen Narrative – doch hier verheddert sich sein Werk in einer selbstverliebten Struktur, die den Leser entweder frustriert zurücklässt oder gänzlich abschreckt. Der Roman springt zwischen den Lebensgeschichten der Ozeanografin Evelyne, die die Geheimnisse des Meeres erforscht, und des Tech-Moguls Todd Keane, der durch seine Plattform „Playground“ ein fragwürdiges Vermächtnis hinterlässt. Diese zwei Handlungsstränge sollen sich gegenseitig beleuchten, gehen aber nie wirklich Hand in Hand. Stattdessen zieht der Roman immer wieder umständliche, teils redundante Kreise und scheint die eigentliche Geschichte selbst nicht zu finden. Es ist, als ob Powers darauf vertraut, dass der Leser blind seinem intellektuellen Eifer folgt – ein fataler Trugschluss.

Die Figuren dieses Romans sind weit entfernt von dem, was man von Powers erwartet. Todd Keane ist der typische, überzeichnete Milliardär, der den moralischen Kompass verloren hat – ein so abgegriffenes Klischee, dass es schwerfällt, hier irgendeinen neuen Impuls zu erkennen. Noch enttäuschender ist die Darstellung von Rafi, der als stereotype und platte Version eines schwarzen Charakters bleibt und sprachlich auf unangenehme Weise antiquiert wirkt. Powers, der in früheren Werken wie "Der Klang der Zeit" kulturelle Komplexität so sensibel darstellte, bleibt hier in peinlich vereinfachten Vorstellungen stecken. Es wirkt, als würde er seine eigene Fähigkeit zur Empathie verraten, um die Geschichte voranzutreiben – ein Verrat, der nicht nur unangenehm, sondern schlicht unangebracht ist.

Evelyne, die Ozeanografin, scheint das Herzstück des Romans zu sein, bleibt aber letztlich blass. Während Powers früher die wissenschaftliche Hingabe und Entdeckerfreude seiner Figuren brillant in emotionale Spannungsfelder verwandelte, bleibt Evelyne hier eine unpersönliche Projektion. Ihre Reise in die Tiefen des Ozeans ist weniger aufregend als ermüdend, eine nüchterne Naturdokumentation, die sich selbst in epischer Breite verliert. So bleibt die Botschaft, dass die Ozeane schützenswert sind, als abgedroschenes Mantra zurück, ohne emotionale Tiefe oder wirklich neue Perspektiven zu bieten.

Stilistisch hat sich Powers hier – sagen wir es unverblümt – übernommen. Das Buch strotzt vor prätentiösen Passagen, die in ihrer Aufgeblasenheit fast karikaturesk wirken. Mit einer erzwungenen Feierlichkeit beschreibt er die Tiefsee und das High-Tech-Universum, als wolle er beweisen, dass er den literarischen Olymp bereits erreicht hat. Doch wo früher seine Sprache von einer spürbaren Leidenschaft getragen war, wirkt sie hier hohl und aufgesetzt. Die emotionalen Höhepunkte sind flach und lassen den Leser kalt. Das Resultat ist ein Buch, das sich wie eine Pflichtlektüre liest, die belehren will, aber kaum berührt.

Und dann wäre da noch das moralische Mahnen. Ja, Powers möchte uns auf die Gefahren der KI hinweisen, möchte uns für den Erhalt der Ozeane sensibilisieren – und das sind ohne Zweifel wichtige Themen. Doch die Art und Weise, wie er dies hier tut, ist platt und aufdringlich. Das Thema der künstlichen Intelligenz, das zu einer packenden Auseinandersetzung über menschliche Kreativität und Maschinenethik hätte werden können, bleibt ein bloßes Ornament. Powers wählt einen erhobenen moralischen Zeigefinger statt einer subtilen Erzählweise, die den Leser durch ihre Vielschichtigkeit zum Nachdenken anregt.

Die letzten Seiten des Romans schlagen dem Ganzen die Krone auf: Hier versucht Powers einen erzählerischen Kunstgriff, der jedoch so ungeschickt und unfertig wirkt, dass er wie eine verpatzte Pointe daherkommt. Die Verschmelzung von Realität und KI-generierter Fiktion mag auf dem Papier eine interessante Idee sein, aber in der Umsetzung misslingt sie komplett. Es ist ein Ende, das in sich zusammenbricht, ohne irgendeinen emotionalen oder narrativen Nachklang zu hinterlassen. Man könnte meinen, Powers versuche, uns mit diesem abrupten Wechsel auf die Gefahren von KI und der Verschränkung von menschlicher und maschineller Wahrnehmung hinzuweisen – doch dieser Versuch bleibt als konstruierter Gimmick zurück, der den Leser eher enttäuscht als beeindruckt.

Fazit: Ein Werk, das im eigenen Anspruch versinkt

Mit "Das große Spiel" hat Richard Powers einen Roman geschrieben, der sich an wichtigen Themen verheben will und an den eigenen Ambitionen scheitert. Statt einer tiefgründigen Auseinandersetzung mit Mensch, Natur und Technik erwartet den Leser hier eine ermüdende Abhandlung, die sich hinter ihrer moralischen Botschaft versteckt und dabei den eigentlichen Kern – das Menschliche – vergisst. Das Buch ist eine Anhäufung von Symbolen, die sich gegenseitig in ihrer Bedeutung aufheben, und eine Erzählung, die sich in ihrer eigenen Struktur verliert. Die Stärke, mit der Powers einst seine Leser packte, weicht hier einer fast schon zynischen Überheblichkeit.

Wer sich in der Welt des Ozeans verlieren und über die Beziehung zwischen Mensch und Maschine nachdenken möchte, wird hier nur eine zähe und enttäuschende Reise erleben. Richard Powers, einst ein literarischer Visionär, liefert hier ein Werk ab, das weder seine hohen Ansprüche noch die Erwartungen seiner Leser erfüllt.

Das große Spiel von Richard Powers Das große Spiel von Richard Powers Reviewed by Darkybald on Samstag, November 09, 2024 Rating: 5

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