Mrs. Dalloway von Virginia Woolf
Mrs. Dalloway von Virginia Woolf
"Gedankenfluss ohne Richtung: Woolfs zähe Reise durch einen Tag"
Inhalt:
Es ist ein besonderer Tag im Leben der zweiundfünfzigjährigen Clarissa Dalloway: Die Gattin eines Parlamentsabgeordneten will am Abend eine ihrer berühmten Upper-class-Partys geben. Der Tag vergeht mit Vorbereitungen, zufälligen Begegnungen mit Jugendfreunden, Konversation, nostalgischen Betrachtungen, Sinneseindrücken beim Flanieren ... Ein besonderer Tag soll es – aus ganz anderen Gründen freilich – auch für Septimus Smith werden. Auch ihn, den Kriegsheimkehrer, beschäftigt die Gegenwärtigkeit des Vergangenen in jedem einzelnen Augenblick. In permanent sich wandelnden Empfindungen, Visionen und Assoziationen der Figuren entsteht ein faszinierendes Zeit- und Gesellschaftsbild Englands, rhythmisiert vom Stundenschlag des Big Ben. Romantische, nüchterne und satirische Stimmungslagen fließen ineinander, Melancholie und Contenance, tiefgründiger Witz und leise Wehmut durchziehen Virginia Woolfs Meisterwerk moderner Erzählkunst. PENGUIN EDITION. Zeitlos. Kultig. Bunt.
Review:
Virginia Woolfs „Mrs. Dalloway“ ist ein Klassiker der Weltliteratur, und wie oft bei hochgelobten Werken, die universelle Anerkennung genießen, stellt sich die Frage: Ist das Lob wirklich gerechtfertigt? Für mich – ehrlich gesagt – nicht. Woolf hat mit „Mrs. Dalloway“ einen Roman geschaffen, der eher wie ein verzetteltes Gedankenexperiment anmutet als wie ein literarisches Erlebnis. Der Stream-of-Consciousness-Stil, der die Gedankenwelt der Figuren einfängt, wird häufig als „genial“ bezeichnet, doch hier wirkt er vor allem ermüdend und selbstgefällig.
Der gesamte Roman spielt an einem einzigen Tag im Leben der Londoner High-Society-Dame Clarissa Dalloway. Man könnte erwarten, dass in dieser Konzentration auf eine knappe Zeitspanne eine besondere Intensität oder ein markanter Einblick in das Leben und die Psyche der Figuren liegt. Doch statt Spannung und Dynamik bekommt man vor allem leere, formelhafte Reflexionen über das Leben und die verpassten Chancen. Clarissa, die ihren Abendball so sorgfältig plant, könnte faszinierend sein – eine Frau zwischen gesellschaftlichen Zwängen und persönlichen Sehnsüchten. Doch Woolf schafft es nicht, Clarissa oder irgendeinen ihrer Mitspieler lebendig werden zu lassen. Vielmehr bleibt man als Leser ein distanzierter Beobachter, der kaum Zugang zu den Figuren findet.
Die Methode des Bewusstseinsstroms ist nicht per se das Problem. Es gibt Bücher, die diese Technik meisterhaft einsetzen und den Leser tief in die Gedankenwelt der Figuren eintauchen lassen. Doch bei „Mrs. Dalloway“ wird sie zur Tortur. Der Stil, der hier gewählt wurde, macht es schwer, den roten Faden zu behalten, denn anstatt eines klaren Handlungsstrangs springt man von einem belanglosen Gedanken zum nächsten. Die Figuren philosophieren über Liebe, Vergangenheit, Verlust – Themen, die an sich tiefgehend sein könnten, doch durch Woolfs Hand bleiben sie flach und vor allem zäh. Wenn ein Buch so stark mit der inneren Monologisierung arbeitet, sollte diese den Leser in den Bann ziehen. Hier jedoch drängt sich der Gedanke auf, dass man eher die Selbstgespräche eines Hochmütigen in einem Vakuum liest.
Es wird oft gesagt, Woolf setze sich mit gesellschaftlichen Themen wie Klasse, Geschlechterrollen und den seelischen Narben des Krieges auseinander. Doch diese Themen bleiben seltsam leblos und dienen mehr als dekorative Elemente im Hintergrund. Septimus, der kriegstraumatisierte Soldat, hätte ein authentisches Porträt eines von der Gesellschaft missverstandenen Mannes sein können, doch seine psychische Zerrissenheit wird zur Karikatur eines traumatisierten Geistes, die keinerlei Empathie hervorruft. Clarissas persönliche, gesellschaftliche und politische Dilemmata wirken aufgesetzt und substanzlos – Reflexionen über die Frau im Wandel der Zeit bleiben oberflächlich und sind meilenweit davon entfernt, den Leser wirklich zu berühren.
Die Sprachkunst Woolfs ist unbestritten. Ihre Worte fließen wie Wasser, verschmelzen Gedanken und Zeit zu einem einzigen Strom. Man spürt die Poesie in jedem Satz, und die Schönheit der Sprache ist es, die viele Leser bewundern. Doch was bringt eine schöne Sprache, wenn sie letztlich ins Leere führt? Statt in den Dienst der Geschichte zu treten, ergeht sich die Sprache in ziellosen, selbstverliebten Formulierungen, die die Handlung ersticken. So sehr man die Sprachgewandtheit Woolfs schätzen könnte, bleibt am Ende doch ein bitterer Nachgeschmack: Die Worte stehen hier für sich, ohne einen Mehrwert zu bieten.
Fazit – Ein Klassiker, der sich in seinem eigenen Schatten verliert
„Mrs. Dalloway“ ist ein Buch, das sich literarisch elitär gibt und dabei wenig Substanz liefert. Für jene, die an hochtrabenden Gedankenströmen Freude finden und über philosophische Miniaturen nachdenken wollen, könnte dieses Werk geeignet sein. Für die meisten jedoch bleibt „Mrs. Dalloway“ eine literarische Übung in Selbstverliebtheit, die weit mehr verspricht, als sie zu geben imstande ist. Woolfs Stil und ihre Themenwahl könnten beeindruckend wirken, doch am Ende hinterlässt das Buch kaum etwas anderes als die Frage, ob man sich wirklich an einem langweiligen Tag im Kopf eines anderen verlieren wollte.
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