Proxi. Eine Endzeit-Utopie von Aiki Mira
Proxi. Eine Endzeit-Utopie von Aiki Mira
Inhalt:
Postapokalyptischer Hopepunk von einem Shooting-Star der deutschsprachigen Science Fiction. Proxi ist eine virtuelle Realität, die ein zweites Leben mit neuen Identitäten ermöglicht. Als ein Virusangriff diese Realität zerstört, ist das für viele ein Weltuntergang: Teile ihres Lebens, ihres Selbst sind für immer ausgelöscht. Die Transfrau Monae, die E-Sportlerin Kawi und Dion, eine KI im Biosynth-Körper wollen ihre verlorene Welt zurück. Zusammen begeben sie sich auf die Suche nach der versteckten Sicherheitskopie von Proxi. Ein Roadtrip durch eine von Klimakrise und Biohacking veränderte Landschaft beginnt. Schnell wird klar: Die drei sind aufeinander angewiesen. Um zu überleben und ihr Ziel zu erreichen, müssen sie einander vertrauen - doch nicht alle verfolgen das gleiche Ziel … „Das, was mich faszinierte, war die Schreibe selbst - diese präzise Art zu beobachten, die Sicherheit bei der Wortwahl, die Musikalität der Sätze. Derlei finde ich selten. Ich fühlte mich an William Gibson erinnert, nur, sagen wir mal, frischer, moderner.“ Andreas Eschbach über Neongrau
Review:
„Proxi“ von Aiki Mira ist zweifellos ein ambitioniertes Werk, das sowohl inhaltlich als auch sprachlich neue Wege beschreitet. Doch nicht jede dieser Richtungen erweist sich als Glücksgriff. Während die postapokalyptische Prämisse und der futuristische Stil vielversprechend klingen, bleibt das Gesamtbild oft fragmentarisch und lässt eine klare Struktur vermissen. Am Ende bleibt ein zwiespältiges Leseerlebnis, das interessante Ansätze präsentiert, aber nicht vollständig überzeugen kann.
Die Ausgangssituation des Romans – drei Charaktere, die in einer dystopischen Welt unterwegs sind, um eine verlorene virtuelle Realität zurückzugewinnen – ist spannend und birgt großes Potenzial. Monae, die Transfrau, Kawi, die E-Sportlerin, und Dion, die KI im Biosynth-Körper, bieten ein unkonventionelles Trio, das interessante philosophische Fragen über Identität und Menschlichkeit aufwirft. Ihre individuellen Geschichten und Motivationen könnten faszinierende Konflikte und eine tiefgehende Entwicklung schaffen. Leider wird dieses Potenzial nur teilweise ausgeschöpft. Die Charaktere wirken gelegentlich distanziert und bleiben für den Leser schwer zugänglich.
Stilistisch geht Aiki Mira mutige Wege, doch diese Wahl wirkt stellenweise überladen. Der Roman ist gespickt mit Neologismen und futuristischen Begriffen, die zwar helfen, die dystopische Welt von „Proxi“ atmosphärisch einzufangen, aber den Lesefluss stark beeinträchtigen können. Man wird als Leser oft aus dem Erzählfluss gerissen und muss immer wieder innehalten, um den Sinn und die Bedeutung dieser Sprache zu entschlüsseln. Die durchgehende Nutzung dieses Stilmittels zieht sich über die gesamte Handlung und führt dazu, dass das Lesen teilweise mühsam wird. Ein Glossar oder wenigstens eine kurze Einführung in einige der wichtigsten Begriffe hätte hier sicherlich geholfen.
Was die Handlung betrifft, so bewegt sich die Geschichte in einem eher langsamen Tempo. Der Roadtrip der drei Hauptfiguren durch die von Klimawandel und Verfall geprägte Landschaft wirkt zwar visuell eindrucksvoll, verliert sich jedoch häufig in Nebensächlichkeiten, ohne dass sich die Handlung wirklich weiterentwickelt. Der Aufbau der Erzählung bleibt vage und führt dazu, dass man sich als Leser oft fragt, wohin die Reise eigentlich gehen soll. Die Spannungskurve flacht ab, und obwohl interessante Ideen zu Klima- und Technologiefragen angerissen werden, fehlt es an erzählerischer Konsequenz, die diese Ansätze zusammenführen würde.
Dennoch gibt es einige Momente, die beeindrucken. Miras Darstellung einer Welt am Abgrund, in der der Menschheit nur noch die Flucht in virtuelle Realitäten bleibt, ist eindringlich und bietet Stoff zum Nachdenken. Auch die Themen Identität und Zusammengehörigkeit sind durch die ungewöhnliche Charakterkonstellation gut umgesetzt. Gerade die KI Dion bringt einen Hauch philosophischer Tiefe in die Geschichte, was die Interaktionen zwischen den Figuren an manchen Stellen spannender macht. Doch auch hier hätte ich mir mehr Tiefgang und einen stärkeren Fokus auf die persönliche Entwicklung gewünscht.
Fazit: „Proxi“ ist ein Buch, das ambitioniert und stilistisch mutig auftritt, jedoch nicht für jeden Leser geeignet ist. Die sprachliche Eigenwilligkeit und die unübersichtliche Handlung sorgen dafür, dass der Roman schwer zugänglich bleibt. Wer die Geduld aufbringt und bereit ist, sich auf Miras ungewöhnliche Erzählweise einzulassen, findet vereinzelt interessante Ansätze und einige atmosphärische Szenen. Insgesamt bleibt „Proxi“ jedoch eher mittelmäßig und hinter seinem Potenzial zurück – ein Leseerlebnis, das man einmal versucht, aber nicht unbedingt wiederholen muss.
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