Ein Yankee aus Connecticut am Hof von König Artus von Mark Twain

Ein Yankee aus Connecticut am Hof von König Artus von Mark Twain



Seiten: 620
Verlag: Manesse
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3717524925
Amazon: Amazon.de








Zynismus, Fortschrittswahn und ein brutales Finale – Twain at his best

Rating: 7/10


Inhalt:

Yankee Hank Morgan traut seinen Augen nicht: Ist es wirklich der 19. Juni des Jahres 528? Und befindet er sich tatsächlich am Artushof? Ursache dieser ominösen Zeitreise ist ein Unfall, der ihn aus dem späten 19. Jahrhundert ins frühe Mittelalter katapultiert. Als wäre das nicht genug, wird er von den Artusrittern auch noch zum Tode verurteilt. Hank mag einen Schlag auf den Kopf bekommen haben, auf den Kopf gefallen ist er nicht. Mit List entgeht er dem Tod und steigt als «Sir Boss» zur rechten Hand des Königs auf. Er beglückt sein Reich mit den Errungenschaften des 19. Jahrhunderts wie allgemeiner Schulbildung, Telegraphie, Pressewesen und «erfindet» das Fahrrad. Doch als er gegen den Willen der Kirche die Republik ausruft, muss Sir Boss die Grenzen seines Waltens erkennen. Von Merlin in Tiefschlaf versetzt, wacht er wieder als der auf, der er einmal gewesen war: ein ganz normaler Yankee aus Connecticut. Aus der Kontrastierung von tiefstem Mittelalter und technischer Moderne, Aberglaube und rationaler Aufklärung, altenglischem Mystizismus und US-Pragmatismus schlägt der Meistererzähler Mark Twain sprachmächtig und geistreich sprühende Funken.

Review:

Mark Twains "Ein Yankee aus Connecticut am Hofe König Artus'" ist ein literarischer Schlag in die Magengrube all jener, die glauben, Ritterromantik sei etwas für zartbesaitete Seelen. Vergessen Sie „Tom Sawyer“ und „Huckleberry Finn“ – hier zeigt Twain seine schärfste Klinge, und er zielt direkt ins Herz der Heuchelei.

Hank Morgan, ein typischer Vertreter des 19. Jahrhunderts, der mit seiner Ingenieurskunst und seinem Fortschrittsglauben jeden mittelalterlichen Feudalherrn alt aussehen lässt, findet sich nach einem Schlag auf den Kopf im 6. Jahrhundert wieder. Ein Mann mit einer Mission: Demokratie einführen, Technologie verbreiten, die Welt retten. Doch Twain wäre nicht Twain, wenn er diesen Kulturcrash nicht mit einer gehörigen Portion Zynismus würzen würde. Der vermeintliche Held stolpert von einer Hybris in die nächste, und der Leser darf genüsslich zuschauen, wie der Traum von der Überlegenheit der Moderne implodiert.

Twain demontiert mit sadistischer Freude das verklärte Bild des Mittelalters. Ritter? Dumpfbackige Muskelprotze. Kirche? Ein Machtapparat, der geistige Finsternis konserviert. König Arthur? Ein Relikt vergangener Zeiten, das in seiner eigenen Bedeutungslosigkeit versinkt. Und genau das macht dieses Buch so verdammt relevant: Twain hält uns den Spiegel vor – und was wir darin sehen, ist nicht immer schön.

Natürlich ist das Buch kein makelloses Meisterwerk. Der Ton schwankt zwischen derben Späßen und bitterem Ernst, die Charaktere wirken oft wie Pappkameraden, und die Handlung verläuft gelegentlich so holprig wie ein Karren auf einem mittelalterlichen Feldweg. Aber genau das gehört zur Methode: Twain will nicht unterhalten, er will provozieren.

Das Finale – ein Gemetzel, das mit erschreckender Präzision den industrialisierten Krieg des 20. Jahrhunderts vorwegnimmt – ist ein Schlag ins Gesicht für alle Fortschrittsgläubigen. Der Versuch, die Welt im Alleingang zu verbessern, endet im Desaster. Danke, Mark, für diese unbequeme Wahrheit.

Neben dem literarischen Gewicht des Buches muss aber leider auch das physische Format zur Sprache kommen – und das nicht im positiven Sinne. Mit gerade einmal 10 x 3,1 x 15,6 cm ist diese Ausgabe kleiner als mein Handy-Display, was das Lesen unnötig erschwert. Man fühlt sich fast, als würde man eine Miniaturausgabe eines Romans durch eine Lupe entziffern müssen. Dass dafür dann auch noch satte 25 € aufgerufen werden, ist ein schlechter Witz. Sicher, die kompakte Größe mag für eine Zugfahrt praktisch sein, aber für diesen Preis hätte man zumindest ein etwas größeres Format oder eine hochwertigere Ausstattung erwarten können. Preis-Leistung? Hier leider ein Totalausfall.

Fazit: "Ein Yankee aus Connecticut am Hofe König Artus'" ist ein Buch, das wehtut. Es ist unbequem, bissig und gnadenlos. Aber genau deshalb sollte es gelesen werden. Twain ist der literarische Stachel im Fleisch der Selbstzufriedenheit – und wer sich diesem Stachel nicht aussetzt, verpasst ein Meisterwerk.

Ein Yankee aus Connecticut am Hof von König Artus von Mark Twain Ein Yankee aus Connecticut am Hof von König Artus von Mark Twain Reviewed by Darkybald on Samstag, Februar 15, 2025 Rating: 5

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