Snowglobe von Soyoung Park
Snowglobe von Soyoung Park
"Ein Kaltlufteinbruch im Jugendbuchregal"
Inhalt:
Draußen ist es bitterkalt. Drinnen wirst du immer beobachtet. Die Welt ist eingefroren. Nur die Stadt Snowglobe, eingeschlossen unter einer riesigen Kuppel, bietet noch ein komfortables Leben. Doch wer dort wohnt, bezahlt mit seiner Privatsphäre: Konstant wird ihr Leben für die weniger glücklichen Menschen außerhalb gefilmt. Die junge Chobahm träumt davon, eines Tages selbst in Snowglobe zu leben. Ihre Chance kommt, als eine der Schauspielerinnen unerwartet stirbt und Chobahm deren Platz und Leben einnehmen soll. Doch ihre neue Rolle im Rampenlicht wirft lange Schatten – und garantiert noch lange nicht Chobahms Überleben …
Review:
Manche Bücher haben das Zeug zum literarischen Schneesturm – Snowglobe hingegen ist eher eine künstlich herbeigeführte Kältekammer. Soyoung Parks Debüt möchte viel: Gesellschaftskritik, Mediensatire, Actionthriller, Identitätsdrama, Zukunftsvision. Heraus kommt dabei ein Buch, das sich liest wie eine Mischung aus The Truman Show unter Dauerfrost, Black Mirror auf K-Pop und einem koreanischen Serien-Drehbuch, das in der Mitte die Selbstkontrolle verliert.
Worum geht es? In einer Welt, in der die Temperaturen konstant bei minus fünfzig Grad liegen, wird die Energieversorgung durch hamsterradähnliche Laufbänder gesichert. Während draußen das Elend regiert, lebt eine kleine Elite in Snowglobe, einer durchsichtigen Luxuskuppel über einem geothermischen Schlot – wohlig warm und medienverrückt. Dort leben die Menschen nicht einfach, sie spielen sich selbst in Echtzeit. Wer dort hineinwill, muss eine Rolle übernehmen. Oder sich wenigstens gut verkaufen.
Unsere Protagonistin Chobahm ist so ein Fall: ein armes Mädchen von draußen, das zufällig genauso aussieht wie die berühmte Schauspielerin Go Haeri, die sich – o Schock! – das Leben nimmt. Die Lösung? Chobahm soll Haeri ersetzen, den Schein aufrechterhalten, und in der TV-Welt nicht auffallen. Was folgt, ist ein moralisch aufgeladenes Verwechslungsspiel mit hohem Unterhaltungswert und leider ebenso hohem Kitschanteil. Man könnte das Ganze als kluge Allegorie auf unsere Gegenwart lesen – auf Influencerkultur, Castingwahn und die Sehnsucht nach Bedeutung in einer Welt, die nur noch zuschaut. Man könnte. Wenn der Roman nicht so sehr damit beschäftigt wäre, sich selbst zu übertrumpfen.
Denn Parks Plot dreht sich bald nicht mehr nur um Täuschung und Macht, sondern um Spiegel, Intrigen, künstliche Wetterlagen, Erpressung, Gedächtnisverlust und eine latent erotische Spannung mit einem männlichen Nebencharakter, der offenbar hellsichtiger ist als ein DNA-Test. Das liest sich dann so, als hätte jemand zu viele Staffeln koreanischer Dramen gesehen und beschlossen, sie alle gleichzeitig zu verarbeiten. Die Wendungen häufen sich, bis man die Übersicht verliert – nicht weil sie raffiniert wären, sondern weil sie inflationär eingesetzt werden. Am Ende steht kein Aha-Effekt, sondern ein kollektives Stirnrunzeln.
Überhaupt: Figuren. Chobahm ist eine typische Heldin des Jugendbuchs – eine Mischung aus Unsicherheit, plötzlichem Talent und moralischem Kompass. Leider bleibt sie dabei so farblos wie das ewige Schneegrau ihrer Heimatwelt. Ihre innere Entwicklung wird behauptet, nicht erzählt. Die Dialoge klingen oft wie schlechte Synchronisation, und die Nebenfiguren sind wahlweise Klischees oder Pappaufsteller mit melancholischem Blick.
Dabei ist die Grundidee nicht nur stark, sie ist sogar relevant. Eine Gesellschaft, die sich selbst pausenlos inszeniert, während draußen die Welt erfriert – das ist eine treffende Metapher für die digitale Selbstvermarktung im Zeitalter der Klimakrise. Dass alle davon träumen, in der Kuppel zu leben, sagt mehr über unsere Gegenwart als über Parks Zukunftsvision. Aber gute Ideen allein machen noch kein gutes Buch. Und der Versuch, alles in einen einzigen Band zu packen – Gesellschaftsanalyse, Familiendrama, Thrillerhandlung – lässt das Ganze am Ende auseinanderbrechen wie dünnes Eis.
Was bleibt? Eine eindrucksvolle Kulisse, ein kluges Konzept, ein spannender Anfang – und ein literarisches Desaster auf der Zielgeraden. Snowglobe hätte ein kalter Klassiker werden können. Stattdessen bleibt es ein gefrorener Rohdiamant, der beim Schleifen zerbrochen ist. Und ja, es gibt eine Fortsetzung. Ich werde sie nicht lesen.













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