Stolz und Vorurteil von Jane Austen

Stolz und Vorurteil von Jane Austen 



Seiten: 628
Verlag: Manesse
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3717525786
Amazon: Amazon.de








"Von der Kunst, mit Stil zu sezieren: Warum Austen heute nötiger ist denn je"

Rating: 9/10


Inhalt:

Nicht weniger als fünf Töchter haben die Bennets standesgemäß unter die Haube zu bringen. Kein leichtes Unterfangen für eine Familie auf dem Lande, die nur über ein bescheidenes Vermögen verfügt. Ausgerechnet die intelligente Elizabeth, das Lieblingskind des Vaters, erweist sich als besonders schwieriger Fall. Schlägt sie doch zum allgemeinen Unverständnis den Antrag eines wohlsituierten Pfarrers aus und folgt hartnäckig ihrem eigenen Urteil. Die Familie schöpft neue Hoffnungen, als der attraktive Gutsbesitzer Darcy, ein Junggeselle aus besten Kreisen, im benachbarten Herrenhaus zu Gast ist. Doch erst als Elisabeth ihre Vorurteile und Darcy seinen Stolz abzulegen lernt, kann sich das Hochzeitskarussell drehen. In ihrem zweiten und populärsten Roman, 1813 erschienen, zeichnet Jane Austen Figuren von unübertroffener Lebendigkeit. Treffsicher entlarvt sie menschliche Schwächen, zeigt die Komik des Alltäglichen und stellt in immer neuen Varianten die zeitlose Frage nach den Voraussetzungen für eine glückliche Ehe.

Review:

Jane Austens Stolz und Vorurteil ist, man muss das so deutlich sagen, ein literarisches Uhrwerk, das seit über zweihundert Jahren zuverlässig tickt – leise, präzise und mit einer Eleganz, die sich nicht aufdrängt, sondern sich mit jedem weiteren Satz tiefer in das Bewusstsein des Lesers eingräbt. Ein Roman, der die Oberfläche höfischer Konventionen nutzt, um mit chirurgischer Genauigkeit das menschliche Innenleben freizulegen. Wer ihn als bloßen Liebesroman liest, ist entweder von schlechten Filmadaptionen verdorben worden oder hat nie gelernt, Ironie von Zuckerguss zu unterscheiden.

Elizabeth Bennet ist keine Figur, die man bloß bewundert – sie ist eine, die man gern zum Abendessen einladen würde. Geistreich, scharfzüngig, aber nie boshaft, stolpert sie über ihre eigenen Vorurteile ebenso selbstverständlich wie ihr Gegenüber, der scheinbar unnahbare Mr. Darcy, über seinen Stolz. Was zwischen diesen beiden geschieht, ist nicht das übliche literarische Tändeln, das mit einer Hochzeit endet – es ist ein Wettlauf zweier Charaktere, die sich erst selbst erkennen müssen, bevor sie überhaupt fähig sind, einander zu lieben. Und das, meine Damen und Herren, ist spannender als jede heutige Serien-Staffel über „toxische Beziehungen“.

Austen schreibt mit einer Ironie, die nicht modisch ist, sondern moralisch. Ihr Witz ist nicht gefällig, sondern erkenntnisstiftend. Man merkt sofort: Diese Autorin verachtet Dummheit, Selbstgefälligkeit und soziale Maskerade – und nichts macht ihr mehr Freude, als ihre Figuren genau an diesen Schwächen scheitern zu lassen. Der ganze Roman ist ein intellektuelles Vergnügen ersten Ranges, weil er von einer Autorin stammt, die es verstand, die gesellschaftlichen Mechanismen ihrer Zeit nicht nur zu durchschauen, sondern ihnen literarisch das Rückgrat zu brechen.

Austens Stil – und das mag all jene schockieren, die sich im postmodernen Gerumpel wohlfühlen – ist brillant. Ihre Sätze, auch wenn sie mitunter länger geraten, folgen einer inneren Logik, einer rhythmischen Ordnung, die ihresgleichen sucht. Wer sich heute über die „alten“ Klassiker beklagt, offenbart dabei vor allem eines: seine eigene Ungeduld. Denn wer bereit ist, sich diesem Text mit der nötigen Sorgfalt zu widmen, wird feststellen, dass hier kein Wort zu viel und keines zu wenig ist. Austen ist keine Romantikerin, sie ist eine Realistin mit Stil. Ihre Gesellschaftskritik ist bei aller Eleganz unerbittlich – präzise wie ein Seziermesser, aber geführt mit der Ruhe einer Chirurgin, die weiß, dass der Schnitt sitzt.

Und dann diese Nebenfiguren! Mr. Collins, dieser großartig geschriebene Schleimer von einem Geistlichen, der in seiner Selbstzufriedenheit so erschütternd echt ist, dass man ihn am liebsten aus dem Roman zerren und zur Therapie schicken möchte. Oder Lydia Bennet – eine Figur, die heute wahrscheinlich auf TikTok ihre Hochzeit mit Wickham live übertragen würde, während ihre ältere Schwester in stiller Fassungslosigkeit das WLAN kappt. Was Austen hier gelingt, ist nicht weniger als ein Ensemble menschlicher Typen, das so treffend ist, dass man bisweilen erschrickt, wie wenig sich der Mensch seit 1813 verändert hat.

Man kann diesen Roman auf viele Arten loben – als Gesellschaftssatire, als psychologische Studie, als frühes feministisches Manifest –, aber am Ende bleibt eine ganz schlichte Wahrheit: Stolz und Vorurteil ist schlichtweg hervorragend erzählt. Und wer das für „überbewertet“ hält, hat vermutlich auch einmal gesagt, Kafka sei „irgendwie anstrengend“.

Ich für meinen Teil sage: Jeder, der lesen kann, sollte dieses Buch gelesen haben. Nicht irgendwann. Sondern bald. Und wer es gelesen hat, sollte es noch einmal lesen – diesmal langsamer. Denn es ist einer jener seltenen Romane, die nicht altern, weil sie etwas erzählen, das über Epochen hinweg wahr bleibt: dass wir selten wissen, wer wir selbst sind – und noch seltener, wer der andere ist.

Stolz und Vorurteil von Jane Austen Stolz und Vorurteil von Jane Austen Reviewed by Darkybald on Montag, April 21, 2025 Rating: 5

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