Das Kreuz des Pilgers von Petra Schier

Das Kreuz des Pilgers von Petra Schier

Titel des Buches
Länge: 14 Stunden und 39 Minuten
Verlag: Harper Audio
Sprache: Deutsch
ISBN-10: B09JZD27BK
Kaufen: Amazon.de
Ein Roman zwischen Aberglauben und Alltag
Bewertung: 5/10 ⭐

Inhalt:

Koblenz, 1379: Als die junge Grafentochter Reinhild von Wegelagerern übermannt wird, wähnt sie sich dem Tode nah. Zum Glück kommen ihr der Pilger Palmiro und sein Weggefährte Conlin zu Hilfe, bringen die Übeltäter zur Strecke und retten Reinhild. Für ihren Mann kommt die Rettung allerdings zu spät. Auf ihrem Weg zurück in die Heimat begleiten Conlin und Palmiro die junge Frau. Nur langsam erholt sie sich von den schrecklichen Ereignissen, und doch entwickelt sie zarte Gefühle für Conlin. Dabei weiß sie genau, dass ihr Vater eine solche Verbindung niemals gutheißen würde. Und damit nicht genug, führt Palmiro einen Schatz mit sich, der sie alle erneut in Gefahr bringen kann.

Review:

Es gibt historische Romane, die ihre Leser mit der eleganten Selbstverständlichkeit eines erfahrenen Wirts an die Hand nehmen, sie an einen holzgetäfelten Tisch setzen und sagen: Hier, nimm Platz, hör zu, ich erzähle dir eine Geschichte. Petra Schier hingegen fordert in Das Kreuz des Pilgers zunächst Geduld und Wohlwollen ein. Ihr Roman öffnet sich nicht sofort, er sperrt sich sogar ein wenig – und genau darin liegt sein Reiz ebenso wie seine Schwäche.

Der Auftakt ist fulminant, beinahe brachial. Ein Überfall, der einen abrupt in eine Welt katapultiert, in der Reliquien nicht nur Glaubensobjekte, sondern soziale Währungen sind, in der Gerüchte schneller reisen als Pilger, und in der Koblenz und Köln sich nicht als pittoreske Kulisse, sondern als vibrierende, mitunter gefährliche Lebensräume präsentieren. Die Figuren treten früh ins Licht: Reinhild, die trauernde, suchende junge Frau; Palmiro, dessen neu erworbenes Kontor weniger belastend ist als das Kreuz, das er hütet wie eine zweite Seele; Conlin, ein Mann gefangen zwischen familiärer Loyalität und persönlicher Kränkung. Sie alle tragen jene Ecken und Kanten, die glaubwürdige Protagonisten ausmachen. Und doch: Man steht ihnen merkwürdig fern. Man sieht sie handeln, man sieht sie ringen, aber man spürt sie nicht.

Das liegt nicht an mangelnder Sorgfalt. Schier schreibt kenntnisreich, ihr Blick auf mittelalterliche Lebenswelten ist präzise, detailbewusst, geradezu liebevoll recherchiert. Die alten Rangordnungen, die sozialen Verwerfungen, das allgegenwärtige Gewicht kirchlicher Institutionen – all das ist greifbar. Zugleich jedoch hemmt diese Ausführlichkeit den Fluss der Erzählung. Was als atmosphärische Dichte intendiert ist, gerät über weite Strecken zu narrativer Viskosität. Die Handlung tritt auf der Stelle, während das Personal sorgfältig arrangiert wird, und das sirrende, ja beinahe übergriffige Kreuz, das als zentrales Motiv fungiert, gewinnt an Bedeutung, bevor die Geschichte selbst ausreichend Traktion entwickelt hat.

Hier zeigt sich die Ambivalenz dieses Romans: Er wagt ein Spiel mit Mystik und Aberglauben, das den historischen Rahmen sprengt. Mal wirkt dieser Zugriff mutig, weil er das mittelalterliche Denken ernst nimmt, statt es museal zu glätten. Dann wieder schiebt sich die Reliquie zu dominant in den Vordergrund, wird zum erzählerischen Motor, dem das erzählte Leben kaum folgen kann. Die Themenvielfalt – Spiritualität, psychische Fragilität, gesellschaftliche Ächtung, versteckte Sehnsüchte – verleiht dem Text durchaus Tiefenschärfe, doch nicht zwingend Spannung.

Sobald die Handlung in der zweiten Hälfte anzieht, zeigt sich, was dieser Roman hätte sein können: ein klug komponiertes Panorama von Freundschaft, Abhängigkeit und moralischen Zumutungen. Doch der Weg dorthin ist lang, für manche Leser zu lang. Die Reise lohnt sich am Ende, aber sie verlangt Durchhaltevermögen.

Das Kreuz des Pilgers ist ein grundsolider, ambitionierter Auftaktband, der Mut zur Komplexität beweist, jedoch an seiner eigenen Ausführlichkeit zu tragen hat. Wer historische Romane mit pointierter Dramaturgie sucht, wird ungeduldig sein. Wer hingegen Lust hat auf ein langsames Eintauchen in die gedämpften Farben des mittelalterlichen Alltags und bereit ist, einem etwas sperrigen Erzählrhythmus zu folgen, wird hier fündig werden. Schier hat ohne Zweifel einen weiten Bogen gespannt – man darf hoffen, dass die folgenden Bände ihn straffer ziehen.

Das Kreuz des Pilgers von Petra Schier Das Kreuz des Pilgers von Petra Schier Reviewed by Darkybald on Donnerstag, Dezember 11, 2025 Rating: 5

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