To Cage a Wild Bird von Brooke Fast
To Cage a Wild Bird von Brooke Fast
Liebe im Schnellverfahren, Dystopie im Standby
Bewertung: 3/10 ⭐
Inhalt:
Das Leben in Dividium beruht auf einer einzigen Regel: Disziplin oder Tod. Denn in Dividium führt nicht nur jedes Verbrechen in das brutale Gefängnis Endlock, sondern reiche Bürger der Oberschicht bekommen außerdem die Gelegenheit, die Gefängnisinsassen zu jagen und zu töten.Als der Bruder der 23-jährigen Raven verhaftet wird, schleust sie sich selbst als Gefangene in Endlock ein, um ihn zu befreien. Schon bald muss sie alles daransetzen, damit sie und ihr Bruder die brutalen Spiele im Gefängnis überleben. Die einzige Hilfe, die sie dabei erhält, kommt ausgerechnet von dem mysteriösen Wachmann Vale.
Doch kann Raven wirklich dem Mann vertrauen, der für all das steht, was sie an Dividium so verabscheut?
Review:
Brooke Fast hat mit To Cage a Wild Bird einen jener Romane vorgelegt, die im ersten Moment wirken, als wolle jemand das dystopische Erbe der frühen 2010er Jahre wachküssen – nur um dann festzustellen, dass der Deckel der Vergangenheit zwar klapprig geöffnet wurde, der Inhalt aber merkwürdig schal geblieben ist. Ein Buch, das sich anfühlt wie ein Echo einer Ära, in der Heldinnen mit düsterem Blick und moralisch aufgeladenen Missklängen durch zerfallene Regime stolperten, nur dass diesem Echo etwas Entscheidendes fehlt: Resonanz.
Fast präsentiert eine Welt voller Wölfe, Zäune, Hunger und staatlich organisierter Grausamkeit. Das Setting verfügt über ein bedrückend interessantes Detail: ein Gefängnis, in dem die Reichen sich an der Jagd auf Gefangene ergötzen dürfen. Diese Idee besitzt durchaus das Potenzial zu einer bissigen Gesellschaftssatire, einem Spiegel, der uns zwingt, die Absurdität realer Machtstrukturen zu erkennen. Doch wie so oft in diesem Roman bleibt der Spiegel beschlagen. Die Welt ist da, aber sie wirkt wie ein Bühnenbild, das hastig zwischen zwei Szenen eingeschoben wurde: funktionsfähig, aber nie lebendig. Die politischen Systeme, die moralischen Grauzonen, die wirtschaftlichen Abgründe – all das flimmert kurz auf, bevor es wieder im Hintergrund verschwindet, als ginge es weniger um die Welt als um die Kulisse für ein zügiges Liebesdrama.
Im Zentrum steht Raven Thorne, eine Heldin, deren Vergangenheit als kompromisslose Kopfgeldjägerin eine faszinierende Reibungsfläche hätte bilden können. Doch statt innere Konflikte zu schärfen, statt moralische Spannungen glühend werden zu lassen, zieht der Roman ihr die Zähne. Raven darf tapfer, müde und pflichtbewusst sein, aber nie wirklich ambivalent. Ihr Handeln bleibt seltsam glatt, selbst wenn sie buchstäblich jenen Menschen gegenübersteht, die wegen ihr hinter Gittern verrotten. Es ist, als traue das Buch seiner eigenen Idee nicht über den Weg.
Das gleiche Schicksal ereilt Vale, den männlichen Love Interest. Er ist einer dieser Figuren, die weniger Charakter als Funktion darstellen: ein freundlicher Wärter mit traurigem Blick und einer auffällig spontanen Neigung, sich unsterblich zu verlieben. Seine Gefühle für Raven entstehen in einer Geschwindigkeit, die man nur als literarischen Geschwindigkeitsrausch bezeichnen kann. Schon nach wenigen Begegnungen wirft er mit Kosenamen um sich, als wäre er seit Jahren ihr heimlicher Briefeschreiber. Dass die beiden dennoch als leidenschaftliches Paar gedacht sind, lässt einen eher ratlos zurück. Nicht, weil man das Konzept verbotener Liebe nicht kennt – sondern weil man hier nie versteht, warum ausgerechnet diese beiden Figuren füreinander entscheidend sein sollen.
Gerade in einem Genre, das sich von inneren und äußeren Konflikten nährt, wirkt eine solch voraussetzungslose Zuneigung eher wie ein dramaturgischer Kurzschluss. Während die politischen Risse der Welt allenfalls angedeutet werden, dominieren heimliche Treffen, vorsichtige Berührungen, Blicke über Zellentüren hinweg – alles in einer Intensität, die die ohnehin fragile Welt noch weiter entkernt. Die Figuren rennen durch eine dystopische Kulisse und verhalten sich dabei, als würden sie in einem anderen Roman leben.
Dabei gibt es Momente, in denen Fast zeigt, dass sie durchaus versteht, woraus ein erwachsenenorientierter dystopischer Roman besteht: die Brutalität ökonomischer Abhängigkeit, die Verführungskraft autoritärer Systeme, die Frage, wie viel Menschlichkeit im Angesicht ständiger Bedrohung noch übrig bleibt. Doch diese Momente sind selten, fast wie Funken, die nach wenigen Sekunden erlöschen. Man spürt: Es könnte alles viel schärfer sein. Viel mutiger. Viel unbequemer.
Am Ende bleibt To Cage a Wild Bird ein Roman voller ungenutzter Möglichkeiten. Ein Buch, das vom Wunsch beseelt scheint, Dystopie und Romanze miteinander zu verweben, aber beide Stränge nur halbherzig ausspielt. Leserinnen und Leser, die ihr Herz an schlichte Nostalgie für die Hochphase jugendlicher Rebellionsfantasien verloren haben, finden hier vielleicht ein kurzes Aufflackern dieses Gefühls. Wer jedoch literarische Schärfe, gesellschaftliche Wucht oder anspruchsvoll gezeichnete Figuren erwartet, wird eher das Gefühl haben, einen Vogel einzufangen, der gar nicht erst versucht hat zu fliegen.
Ein enttäuschendes Debüt im dystopischen Erwachsenengenre – und gleichzeitig ein Roman, der zeigt, wie viel mehr möglich gewesen wäre, hätte er seinem eigenen Mut vertraut.












Post a Comment