Wuthering Heights von Emily Brontë
Wuthering Heights von Emily Brontë
Kein Liebesroman, sondern ein Experiment über menschliche Besessenheit
Inhalt:
The estate of Wuthering Heights sits on a hill in the rugged Yorkshire countryside. It lies defenceless against the wind, which blows harder here than anywhere else. Its owner, the kind-hearted Mr Earnshaw, takes in the foundling Heathcliff. Earnshaw's daughter Cathy soon falls madly in love with him. But their love ends in tragedy, and a web of revenge and betrayal is woven around the estate. Emily Brontë's classic dark love story, set in a romantic and untamed landscape, remains one of the most intense reads to this day.
Review:
Ich habe „Wuthering Heights“ zum ersten Mal in der englischen Originalsprache gelesen, dank einer Rezensionsausgabe des Anaconda Verlags. Es war ein seltsames, beinahe widersprüchliches Vergnügen. Zum einen ist Brontës Sprache in ihrer rohen Klarheit viel zugänglicher, als ich erwartet hatte, geradezu schnörkellos, beinahe modern. Zum anderen wirkt das Englische in seiner rhythmischen Härte und emotionalen Direktheit noch kälter, noch gnadenloser als jede Übersetzung. Ich muss gestehen: Im Original gefällt mir dieses Buch besser. Nicht, weil es „näher“ an der Autorin wäre, sondern weil ihre Welt darin schärfer konturiert, präziser, weniger verklärt erscheint.
Emily Brontës einziger Roman ist kein Liebesroman, sondern eine anatomische Studie des Gefühlswahns. Wer Heathcliff und Catherine als romantisches Paar begreift, hat entweder die Nerven eines Märtyrers oder den Text nicht verstanden. Diese beiden sind ein emotionales Unwetter, das alles in seiner Umgebung verheert. Sie lieben nicht, sie verschlingen sich. Was sie antreibt, ist keine Zärtlichkeit, sondern der Wille zur totalen Verschmelzung, der jede Grenze zwischen Begehren und Zerstörung auslöscht. Brontë beobachtet dieses Inferno mit der Gelassenheit einer Naturwissenschaftlerin, die weiß, dass man den Vulkan nicht aufhalten kann, man kann ihn nur genau beschreiben.
Dass diese Beschreibung in eine derart irritierende Erzählkonstruktion gegossen wurde, gehört zu den großen Frechheiten des 19. Jahrhunderts. Nelly Dean, diese vermeintlich nüchterne Chronistin, ist keine verlässliche Zeugin. Ihr Blick ist von Vorurteilen und Eitelkeiten durchsetzt. Was sie erzählt, wissen wir nicht sicher. Und doch müssen wir ihr glauben, weil Brontë uns keine andere Möglichkeit lässt. Das Ergebnis ist ein Roman, der Misstrauen zum Leseprinzip erhebt und uns zwingt, Wahrheit aus Widerspruch zu gewinnen.
Der Schauplatz tut das Übrige. Die einsame Weite der Yorkshire Moors, vom Wind zerschnitten und vom Regen gepeitscht, ist mehr als Kulisse. Sie ist eine psychologische Landschaft, ein Resonanzraum der Figuren. In dieser Unwirtlichkeit wachsen keine Konventionen, nur Leidenschaften. Zwischen Wuthering Heights und Thrushcross Grange existiert keine bürgerliche Mitte. Hier herrschen Extreme, und Brontë schreibt sie mit einer sprachlichen Unerbittlichkeit, die für ihre Zeit fast unverschämt war.
Heathcliff, dieser Findling aus der Gosse, wird zu einer Chiffre für soziale Ausgrenzung und emotionale Entstellung. Sein Hass ist das Echo einer Welt, die ihn nie anerkannt hat. Catherine wiederum ist Gefangene ihrer eigenen Widersprüche, zu stolz für Unterwerfung, zu feige für Freiheit. Gemeinsam bilden sie ein System der wechselseitigen Zerstörung, in dem Liebe nichts Erlösendes hat, sondern zur Obsession, zur Krankheit wird. Dass Brontë dies ohne moralisches Urteil schildert, macht den Roman so modern. Sie versteht, was Psychologen erst ein Jahrhundert später zu benennen versuchten: dass Trauma ansteckend ist, dass Gewalt sich forterbt, dass Gefühle sich vererben wie ein Fluch.
Gerade deshalb bleibt das Buch, bei aller Finsternis, nicht hoffnungslos. In der Generation danach blitzt ein Rest von Menschlichkeit auf, eine zarte Ahnung von Versöhnung. Brontë, die keine Idealisierung kannte, lässt die Möglichkeit offen, dass das Leben weitergeht, wenn auch leiser, vorsichtiger, demütiger.
Ich bewundere „Wuthering Heights“ nicht, weil es schön ist, sondern weil es sich dem Schönen verweigert. Es ist ein Roman, der die romantische Tradition nicht fortführt, sondern sprengt. Ein Buch, das seine Leser prüft, nicht umarmt. Und doch liegt in dieser Härte eine eigentümliche Form der Wahrheit. In der englischen Sprache klingt sie noch unmittelbarer, direkter, weniger abgefedert. Vielleicht liest man dieses Buch am besten so, wie Brontë es geschrieben hat: gegen den Wind.












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