Origin – Die Erweckung von Joshua Tree
Origin – Die Erweckung von Joshua Tree
Joshua Tree bremst – und gewinnt
Inhalt:
Wir schreiben das 23. Jahrhundert. Seit über 450 Jahren ist das Raumschiff »Wayfarer« unterwegs zum Omikron-System, als plötzlich die Wissenschaftlerin Lea Lehora aus der Kryostase geweckt wird. Das Ziel der Mission, die Heimatwelt der extraterrestrischen Vorfahren der Menschheit zu untersuchen, scheint zum Greifen nah. Doch statt einer blühenden Zivilisation finden die Forscher der »Wayfarer« nur einen Ring aus uralten Artefakten im Orbit des Planeten. Und dann erreicht sie ein Jahrhunderte altes Signal, das zur tödlichen Gefahr wird …
Review:
Man muss kein passionierter Science-Fiction-Leser sein, um zu bemerken, dass sich mit Origin – Die Erweckung von Joshua Tree ein bemerkenswertes Kontrastprogramm zu den Werken von Andreas Brandhorst und Brandon Q. Morris abspielt. Während Brandhorst bekanntlich dazu neigt, seine Romane mit geradezu manischem Worldbuilding zu überfrachten und den Plot in halsbrecherischem Tempo von einem Schauplatz zum nächsten zu jagen, zieht Joshua Tree gleich zu Beginn resolut die Handbremse an.
Schon in Origin – Die Erweckung wird deutlich: Wo Brandhorst das Universum in immer neuen Dimensionen auffächert, interessiert sich Tree vielmehr für die Menschen, die in diesem Kosmos leben – und leiden. Der Autor kann sich dabei auf das von Brandhorst zuvor gelegte Fundament stützen: jenes komplexe, dichte Worldbuilding, das der „Origin“-Welt bereits Kontur gegeben hat. Doch Tree nutzt dieses Erbe nicht, um noch mehr kosmische Schauplätze anzuhäufen, sondern um darin eine psychologisch feinere Geschichte zu erzählen.
Wir folgen in diesem zweiten Band zwei klar getrennten, aber erzählerisch geschickt verwobenen Handlungssträngen: Zum einen begleitet man die bereits aus Band eins bekannte Lea Lehora an Bord der Wayfarer, die nach 450 Jahren endlich ihr Ziel Omikron erreicht – eine Reise, die ebenso physisch wie existenziell ist. Zum anderen lernen wir den exzentrischen Wissenschaftler Marc Laton kennen, der 410 Jahre vor der Ankunft der Wayfarer lebt. Joshua Tree spielt hier gekonnt mit Zeit und Perspektive, mit Spiegelungen zwischen Vergangenheit und Zukunft, Forschung und Glaube, Wahn und Erkenntnis.
Besonders erfreulich ist, dass Tree sich endlich der größten Schwäche vieler Science-Fiction-Autoren annimmt: den Charakteren. Schon in Origin – Die Entdeckung war deutlich geworden, dass Figurenzeichnung nicht Brandhorsts Paradedisziplin ist. Joshua Tree dagegen glänzt hier mit einem hervorragenden Charakterausbau bzw. Charakterentwicklung. Lea Lehora erhält Tiefe, Ambivalenz, emotionale Fallhöhe; auch der Antagonist Captain Grant wirkt plötzlich nicht mehr wie ein notwendiges Übel der Dramaturgie, sondern wie ein glaubwürdiger Mensch mit nachvollziehbaren Motiven.
Stilistisch ist Tree dabei deutlich ruhiger, beinahe kontemplativ. Sein Origin – Die Erweckung ist weniger ein Weltraumabenteuer als vielmehr ein Thriller im Kosmos, ein spannungsreicher, aber zugleich reflektierter Roman, der philosophische Fragen nicht scheut, ohne den Unterhaltungswert zu opfern.
Natürlich merkt man dem Buch an, dass es das klassische Schicksal eines zweiten Teils in einer Trilogie teilt: Es schließt an, vertieft, bereitet vor – ohne die ganz großen Enthüllungen zu liefern. Und doch gelingt es Tree, dieses Dazwischen erzählerisch zu adeln.
Bereits mit Singularity hatte Joshua Tree gezeigt, dass er zu den wenigen deutschsprachigen Science-Fiction-Autoren gehört, die technische Vision und emotionale Glaubwürdigkeit zu verbinden wissen. Auch Origin – Die Erweckung bestätigt dieses Urteil.
Bleibt am Ende nur eine Frage: Wie wird Brandon Q. Morris diesen Staffelstab im abschließenden Band aufnehmen? Ich bin – und das passiert mir in diesem Genre selten – wirklich gespannt.












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