2050 – Überleben hat einen Preis - Thomas R. Weaver

2050 – Überleben hat einen Preis - Thomas R. Weaver

Titel des Buches
Seiten: 544
Verlag: Heyne
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3453323920
Kaufen: Amazon.de
Eine Zukunft, die längst begonnen hat.
Bewertung: 8/10 ⭐

Inhalt:

Wir schreiben das Jahr 2050. Zehn Jahre ist es her, seit eine Hitzewelle vierhundert Millionen Menschen im Persischen Golf getötet hat – darunter auch die Frau des Journalisten Marcus Tully. Als ihm Informationen zugespielt werden, die darauf hinweisen, dass es keine Naturkatastrophe, sondern eine von Menschen gemachte war, nimmt er die Ermittlungen auf. Seine Recherchen führen ihn mitten ins Zentrum der geopolitischen Macht – mitten hinein in den Wahlkampf eines ehemaligen US-amerikanischen Präsidenten, der erstmals gegen eine KI antritt. Schnell muss Tully feststellen, dass in dieser Welt voller Grautöne die Wahrheit nicht immer das ist, was sie zu sein scheint …

Review:

Thomas R. Weavers Roman 2050 – Überleben hat einen Preis ist eines jener Debüts, die einen zugleich erschüttern und verblüffen. Schon nach wenigen Seiten wird klar, dass man es hier nicht mit einem weiteren dystopischen Spektakel zu tun hat, sondern mit einem Werk, das auf beunruhigende Weise gegenwärtig ist. Weaver schreibt von der Zukunft, als hätte er sie bereits erlebt, und seine Vision ist so präzise, so plausibel, dass sie einem den Atem raubt.

Wir befinden uns in einer Welt, die den moralischen Kompass verloren hat. Die Erde ist erschöpft, die Menschheit ebenso. Im Jahr 2050 hat der Klimawandel nicht nur Landschaften, sondern ganze Gesellschaftsordnungen verwüstet. In dieser zerfallenden Welt konkurrieren zwei Kräfte um die Macht: ein amerikanischer Präsident, der sich zum globalen Herrscher aufschwingen will, und eine künstliche Intelligenz, die sich selbst als vernunftbegabte Alternative zur menschlichen Gier versteht. Dazwischen steht Marcus Tully, ein Journalist, der mehr verloren hat, als ein Mensch ertragen sollte, und der dennoch versucht, der Wahrheit näherzukommen, obwohl sie ihn vernichten könnte.

Weaver verknüpft hier Politthriller, Kriminalroman und Zukunftsvision zu einem literarischen Amalgam, das man nicht mehr aus der Hand legen möchte. Sein Stil ist klar, präzise, manchmal fast dokumentarisch, und gerade darin liegt seine Stärke. Nichts an dieser Welt wirkt übertrieben oder fantastisch, alles scheint nur einen Atemzug von der Realität entfernt. Die Technologien, die er beschreibt, sind faszinierend, aber nie bloßes Spielzeug für Technikbegeisterte. Sie sind Ausdruck einer Zivilisation, die glaubt, ihre Probleme ließen sich durch immer ausgefeiltere Systeme lösen, und merkt zu spät, dass sie dabei das Menschliche ausradiert.

Die moralische Komplexität des Romans ist bemerkenswert. Weavers Figuren sind keine Helden, sondern Menschen, die stolpern, zweifeln, sich verlieren. Tullys Schmerz über den Tod seiner Frau durch eine Klimakatastrophe ist kein bloßes erzählerisches Detail, sondern der emotionale Motor der Handlung. Er kämpft nicht nur gegen die Mächtigen, sondern auch gegen seine eigene Verzweiflung. Dieses Ringen macht ihn zu einer jener seltenen Romanfiguren, die man nicht einfach bewundert, sondern versteht.

Was den Roman über die gängigen Genrekonventionen erhebt, ist Weavers unbestechlicher Blick auf die Gegenwart. Hinter all den futuristischen Kulissen liegt eine radikale Diagnose unserer Zeit: eine Welt, in der Wahrheit zur Währung geworden ist, Vertrauen zur Fiktion und Verantwortung zum Spielball der Mächtigen. Weaver schreibt über Informationskriege, über die manipulative Kraft von Angst und über die trügerische Bequemlichkeit des Schweigens. Seine Zukunft ist keine ferne Fiktion, sondern das Resultat eines allzu vertrauten Stillstands.

Dabei gelingt ihm ein Kunststück, das viele Autoren des Genres verfehlen: Er verliert nie den Menschen aus dem Blick. Zwischen all den politischen Intrigen, zwischen Propaganda, Überwachung und moralischem Verfall bleibt Raum für Empathie, für Schuld, für den unerschütterlichen Versuch, an Aufrichtigkeit festzuhalten. Das macht diesen Roman nicht nur spannend, sondern tief bewegend.

Selten hat ein Erstlingswerk mit solcher Überzeugungskraft geschrieben, was es heißt, in einer Welt zu leben, die sich selbst überlistet hat. Weaver schafft es, große Ideen mit erzählerischer Präzision zu verbinden. Am Ende bleibt das beklemmende Gefühl, dass seine Vision keine Warnung mehr ist, sondern längst begonnen hat.

Ein großer, kluger, verstörend aktueller Roman, der zeigt, dass Science-Fiction nicht von der Zukunft erzählt, sondern von unserer Gegenwart in ihrem letzten Stadium. Weaver ist ein Name, den man sich merken sollte.

2050 – Überleben hat einen Preis - Thomas R. Weaver 2050 – Überleben hat einen Preis - Thomas R. Weaver Reviewed by Darkybald on Montag, November 03, 2025 Rating: 5

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