Das Schiff der flüsternden Träume von Alastair Reynolds
Das Schiff der flüsternden Träume von Alastair Reynolds
Ein Rätsel aus Zeit, Raum und Bewusstsein
Inhalt:
Die Vergangenheit. Eine kleine Gruppe wagemutiger Forscher bricht an Bord des Segelschiffes »Demeter« in den Norden auf. Sie wollen ein rätselhaftes Artefakt untersuchen, das in Nordnorwegen im Eis schlummert. Doch als die Crew, begleitet vom Schiffsarzt Doktor Silas Coade, ihre Untersuchungen beginnt, geschieht eine Katastrophe, so gewaltig, dass ihre Auswirkungen noch in der fernen Zukunft spürbar sein werden ...
Review:
Alastair Reynolds überrascht. Wer ihn für den Mann gigantischer Sternenpanoramen und endloser Raumzeitkurven hält, erwartet wohl eine weitere Space Opera, bekommt hier jedoch ein konzentriertes Rätsel von seltener Eleganz. Das Schiff der flüsternden Träume beginnt wie ein klassischer Expeditionsroman, riecht nach salziger Gischt und kaltem Fjordwind, nach Abenteuergeschichten aus dem 19. Jahrhundert, und gleitet dann fast unmerklich in ein Spiel aus Illusion, Wiederholung und Verunsicherung.
Im Zentrum steht Dr. Silas Coade, ein Arzt, der auf einem norwegischen Segler nach einem geheimnisvollen Artefakt sucht, sich kurz darauf auf einem Luftschiff in der Antarktis wiederfindet und schließlich an Bord eines Raumschiffs auf der Jagd nach demselben Rätsel. Die Crew bleibt stets dieselbe, die Mission identisch, nur Zeit und Schauplatz verändern sich, als würde jemand die Welt immer neu aufziehen. Jede dieser Unternehmungen endet im Desaster und jedes Scheitern wirft ein weiteres Licht auf die fragilen Grenzen zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit.
Reynolds erzählt das mit einer Präzision, die an viktorianische Prosa erinnert, aber zugleich von kühler Modernität zeugt. Seine Sprache ist klar, nie prätentiös, und doch voller Anspielungen auf maritime Abenteuer, frühe Luftfahrt und den kargen Glanz des Weltraums. Die Figuren sind keine Staffage. Silas entfaltet sich langsam zu einer komplexen, widersprüchlichen Persönlichkeit, während Kapitän, Ingenieur und andere Mitreisende so plastisch erscheinen, dass man meint, ihr Atem beschlage die Seiten.
Wer den endlosen Kosmos seiner Revelation-Space-Romane liebt, wird vielleicht den großen Maßstab vermissen. Doch gerade die Reduktion auf den Menschen, auf Freundschaft, Moral und die zermürbende Frage nach der eigenen Identität, macht den Reiz dieses Romans aus. Am Ende fügt sich alles mit einer Logik, die ebenso überraschend wie unvermeidlich wirkt und den Leser gleichsam von innen nach außen kehrt.
Dieses Buch ist kein galaktischer Donnerhall, sondern ein leiser, kunstvoller Schlag gegen unsere Gewissheiten. Es ist klug konstruiert, atmosphärisch dicht und philosophisch anregend. Wer Literatur sucht, die Abenteuerlust und Nachdenklichkeit miteinander verwebt, wird hier reich belohnt. Reynolds beweist mit diesem Roman, dass er nicht nur die Unendlichkeit des Alls, sondern auch die inneren Weiten des Menschen meisterhaft zu erkunden versteht.












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