Nikotin – Eine Tragödie in drei Akten von Agatha Christie

Nikotin – Eine Tragödie in drei Akten von Agatha ChristieTitel des Buches

Länge: 6h 44min
Verlag: der Hörverlag
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3844554165
Kaufen: Amazon.de
Christoph Maria Herbst trifft auf Agatha Christie – ein Hörvergnügen mit Giftspur
Bewertung: 7/10 ⭐

Inhalt:

Als Pfarrer Babbington auf einer Party an seinem Cocktail nippt, bricht er tot zusammen. Wenig später kommt es bei einem Dinner zur nächsten Tragödie, und auch der hoch angesehene Arzt Sir Bartholomew Strange stirbt. Hercule Poirot hegt keinen Zweifel daran, dass die beiden Unglücksfälle miteinander zusammenhängen. Denn immerhin waren bei beiden Anlässen dieselben Gäste zugegen. Doch wer von ihnen hatte ein Motiv für gleich zwei Morde?


Review:

Agatha Christie hatte stets ein Faible für Maskenspiele. In Nikotin – Eine Tragödie in drei Akten verwandelt sie das klassische Whodunit in ein Bühnenstück über Täuschung, Selbstinszenierung und die Kunst der Beobachtung. Die Mörderin unter den Schriftstellerinnen – so hat man sie gern genannt – kleidet ihren Mord diesmal in Theaterkostüme, lässt die Tat in drei Akten spielen und verleiht der Geschichte eine Form, die so kunstvoll gebaut ist, dass selbst der aufmerksame Leser an den falschen Fäden zu ziehen beginnt.

Ich habe das Buch als Hörbuch gehört, gelesen von Christoph Maria Herbst – und selten hat ein Sprecher Christies trockenen Humor und die pointierte Eitelkeit ihrer Figuren so präzise getroffen. Herbst spielt nicht einfach, er dirigiert. Er verleiht Poirot eine selbstgefällige Würde, Sir Charles Cartwright einen Hauch von Bühnenpathos, und Egg Lytton Gore die fiebrige Naivität einer jungen Frau, die noch nicht begriffen hat, dass das Leben kein Probenraum ist.

Der Auftakt wirkt harmlos: ein mondäner Schauspieler lädt zum Dinner, die Stimmung ist ausgelassen, der Alkohol fließt, bis plötzlich einer der Gäste, ein harmloser Geistlicher, nach einem Cocktail tot zusammenbricht. Kein Gift, kein Motiv, kein Verdächtiger. Hercule Poirot, der berühmteste Belgier der Weltliteratur, sitzt mit am Tisch, bleibt jedoch seltsam unbeteiligt. Erst als ein zweiter Todesfall den Schatten des ersten verlängert, beginnt er, seine kleinen grauen Zellen wieder zu beschäftigen. Christies Genie liegt hier nicht in der Raffinesse der Morde, sondern in der Dramaturgie der Enthüllung. Sie zieht den Vorhang nicht mit einem Ruck, sondern lässt ihn Stück für Stück sinken, bis das Publikum erkennt, dass es die ganze Zeit auf die falsche Person gestarrt hat.

Das Besondere an diesem Roman ist nicht die Auflösung – sie ist, wie bei Christie so oft, brillant, aber kaum glaubwürdig –, sondern die Konstruktion. Das Buch ist Theater im Buchformat. Die Figuren agieren, als stünden sie auf einer Bühne: Sir Charles Cartwright, der charmante Schauspieler mit einer Leidenschaft für Dramatik, führt sich auf, als habe er den Regieposten des Lebens an sich gerissen. Mr. Satterthwaite, der ewige Beobachter aus "Der seltsame Mr. Quin", spielt die Rolle des freundlichen Kommentators, der sich einbildet, mehr zu wissen, als er tatsächlich versteht. Und dann gibt es „Egg“ – eine junge Frau mit der Naivität eines Backfischs und dem Ehrgeiz einer Schauspielerin, die in ihrem eigenen Stück die Hauptrolle sucht.

Natürlich hat der Text seine Schwächen. Die ersten Kapitel wirken etwas behäbig, und Poirot bleibt lange abwesend. Doch sobald er die Bühne betritt, zieht Christie alle Fäden zusammen, und das letzte Kapitel – eine Szene fast wie bei Ibsen – besitzt eine theatralische Wucht, die man ihr gar nicht zugetraut hätte. Der letzte Satz, den man hier nicht verraten darf, ist von einer bitteren Komik, die das ganze Stück in sich zusammenfaltet.

Am Ende bleibt ein Roman, der mehr ist als ein klassischer Krimi. Nikotin – Eine Tragödie in drei Akten ist Christies ironischstes Werk über die Verführbarkeit der Wahrnehmung und die Illusion der Kontrolle. Ein Stück über Eitelkeit, Masken und das gefährliche Spiel zwischen Sein und Schein. Wer hier nur einen weiteren Fall für Hercule Poirot erwartet, wird angenehm enttäuscht – denn Christie hat kein Rätsel konstruiert, sie hat eine Bühne gebaut. Und Christoph Maria Herbst verleiht dieser Bühne in der Hörbuchfassung eine Stimme, die zwischen Ironie, Ernst und Theatralik oszilliert – ein Auftritt, der fast schon selbst eine Tragödie in drei Akten wert wäre.

Nikotin – Eine Tragödie in drei Akten von Agatha Christie Nikotin – Eine Tragödie in drei Akten von Agatha Christie Reviewed by Darkybald on Samstag, November 08, 2025 Rating: 5

Keine Kommentare