Die Klippen des Todes von Josephine Tey
Die Klippen des Todes von Josephine Tey
Zwischen Meer, Moral und Menschenrätseln
Inhalt:
Die schöne Filmschauspielerin Christine Clay liegt tot am Strand. Sie ist wohl nicht freiwillig aus dem Leben geschieden, in ihrem Haar hat sich ein Knopf verheddert. Inspector Alan Grant von Scotland Yard muss zunächst einfach den dazugehörigen Mantel finden. Sein Weg dahin ist wendungsreich und führt von einem verdächtigen Hausgast zu einer Wahrsagerin und von ihr – aber lesen Sie selbst. Ein clever konstruierter Fall der wiederentdeckten schottischen Kriminalautorin Josephine Tey, ganz nach dem Geschmack des jungen Alfred Hitchcock, der diese Story verfilmt hat.
Review:
Josephine Teys Die Klippen des Todes beginnt mit einer jener Szenen, die man sofort im Kopf hat: eine tote Frau am Strand, das Meer, das seine Beute wieder freigibt, ein Rätsel, das sich langsam entfaltet. Die Leiche entpuppt sich als die berühmte Schauspielerin Christine Clay, ein Idol der Dreißigerjahre, und aus dem zunächst beiläufigen Polizeifall wird ein Blick in die Schattenseiten des Ruhms. Tey interessiert sich nicht für den Schockwert des Verbrechens, sondern für die Menschen, die darin verstrickt sind. Ihre Kunst besteht darin, hinter dem Krimi die Tragödie zu zeigen, die sich nicht in Blut, sondern in seelischen Rissen abspielt.
Inspector Alan Grant, der hier zum zweiten Mal ermittelt, ist alles andere als der allwissende Meisterdetektiv. Er zweifelt, irrt, verliert die Übersicht, und genau das macht ihn sympathisch. Er ist ein Mann, der mehr nachdenkt, als ihm guttut, einer, der das Böse nicht als intellektuelles Rätsel betrachtet, sondern als Zumutung an die Moral. Dass Tey ihn nicht ständig in den Mittelpunkt stellt, sondern die Erzählung auf mehrere Stimmen verteilt, wirkt klug und modern. Besonders Erica Burgoyne, die beherzte Tochter des Polizeichefs, stiehlt Grant beinahe die Show. Sie ist neugierig, mutig, impulsiv und zugleich verletzlich, eine jener Figuren, die in der Erinnerung bleiben, weil sie so unvollkommen menschlich sind.
Teys Erzählweise ist präzise, ohne prätentiös zu wirken. Sie hat den überhitzten Ton vieler Zeitgenossen hinter sich gelassen und schreibt mit jener stillen Souveränität, die keine Effekte braucht. Ihr Roman liest sich wie ein stilles Gespräch über Schuld und Schein, über das, was Menschen sich vormachen, um weiterleben zu können. Dass sie nebenbei auch das Phänomen des Starkults seziert, verleiht dem Buch eine unerwartete Aktualität. Die Gier nach Klatsch, die Oberflächlichkeit des Ruhms, das Spiel mit der Öffentlichkeit – all das wirkt frappierend vertraut, als läse man einen Kommentar zur Gegenwart.
Natürlich ist nicht alles gelungen. Der Plot trägt Spuren seiner Entstehungszeit. Einige Dialoge wirken gestelzt, manche Motivationen scheinen eher den Konventionen des Genres geschuldet als psychologischer Plausibilität. Und ja, es gibt jene beiläufigen antisemitischen Bemerkungen, die man mit dem historischen Kontext erklären kann, ohne sie entschuldigen zu wollen. Sie stören, weil sie zeigen, wie selbstverständlich das Vorurteil einst im Denken verankert war, selbst bei einer Autorin von Teys Intelligenz.
Trotzdem: Die Klippen des Todes hat Charme. Es ist kein Meisterwerk, aber ein Werk, das zeigt, wie jemand auf dem Weg dorthin ist. Josephine Tey versteht es, Spannung ohne Lärm zu erzeugen, Menschen zu zeichnen, die sich nicht leicht begreifen lassen, und eine Atmosphäre zu schaffen, die noch lange nach der letzten Seite anhält. In einer Zeit, in der der Kriminalroman oft nur noch auf Tempo und Twist setzt, wirkt Teys ruhige Genauigkeit fast anstößig altmodisch – und gerade deshalb wohltuend. Wer sich auf ihr leises Erzählen einlässt, entdeckt ein Buch, das weniger laut unterhält als still überzeugt.












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